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Grafiker aus Halle Grafiker aus Halle: Früher "Meisterbräu" heute Aldi Globus Penny und Norma

Von Maximilian Mühlens 19.06.2018, 08:00
Heinz Möhrdel zeigt in der Gaststätte Roeßing in Halle eine Auswahl seiner Bierflaschen-Etiketten.
Heinz Möhrdel zeigt in der Gaststätte Roeßing in Halle eine Auswahl seiner Bierflaschen-Etiketten. Maximilian Mühlens

Halle (Saale) - Der Genießer eines guten Bieres schenkt dem kühlen Gerstensaft nicht nur mit seinen Geschmacksnerven die volle Aufmerksamkeit, sondern auch mit seinen Augen. In geselliger Runde wird dann über die Farbe des Getränkes gefachsimpelt, die ja bekannterweise während der Gärung entsteht. Fast genauso wichtig ist den Bier-Enthusiasten aber auch das Flaschen-Etikett: Schließlich repräsentiert dieses nicht nur die Brauerei, sondern auch das Bier.

Oftmals sind die Etiketten sehr edel, zeigen historische Motive und beeindrucken durch einen hochwertigen Druck. Viele dieser Objekte hat ein gebürtiger Bad Dürrenberger geschaffen, der viel mehr daraus macht, als dem jeweiligen Getränk nur ein Gesicht zu geben.

Heinz Möhrdel: ich bin Designer, kein Künstler

Nein, ein Künstler sei er nicht, sagt Heinz Möhrdel bescheiden. Dabei blickt der Mann mit dem Schnäuzer auf unzählige Bier-, Wein- und Spirituosenflaschen, die auf dem großen Tresen der Gaststätte Roeßing im halleschen Paulusviertel stehen. Die Etiketten all dieser Flaschen gehen auf das Konto des heute 73-Jährigen.

Sein Freund Lutz Grumbach, ein bekannter hallescher Künstler, hat für die kleine Ausstellung in der Gaststätte gesorgt. „Die Leute sollen mal sehen, was der Heinz so macht - das ist doch toll“, sagt Grumbach und nippt an einem frisch gezapften Pils.

Heinz Möhrdel ist die Aufmerksamkeit fast ein wenig unangenehm, denn er sieht sich als Grafiker, als Designer - nicht aber als Künstler. „Der Künstler macht, was er will, der Designer will, was er macht“, erklärt Heinz Möhrdel und lacht.

Möhrdel ist in der DDR zum Gebrauchsgrafiker ausgebildet worden. Er studierte an der Hochschule für bildende Künste in Dresden, absolvierte erst eine Lehre als Gebrauchswerber und anschließend ein Studium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin.

„Meisterbräu“ gehörte zur Kundschaft von Heinz Möhrdel

Bis zum Ende der DDR lebte er in Halle und gestaltete als freischaffender Grafiker unzählige Bierlabels unter anderem für „Meisterbräu“ oder „Köthener Pils“. Von ihm stammten aber auch Verpackungen für das Waschmittel „Spee“ aus Genthin sowie für Hallorenkugeln. Und Halle-Neustadt verdankte Möhrdel sein Stadtwappen. Sogar Geschäfte und Gaststätten richtete er ein. In den 1970er und 1980er Jahren gehörte er zu den wichtigsten halleschen Gebrauchsgrafikern. „Als Gebrauchsgrafiker war man vielseitig einsetzbar“, so Möhrdel.

Derzeit widmet das Stadtmuseum Halle mit seiner Sonderausstellung „Masse und Klasse. Hallesche Gebrauchsgrafik im DDR-Kontext“ den bedeutendsten Gebrauchsgrafikern aus der Saalestadt eine eigene Schau. Denn neben Berlin und Leipzig war Halle vor allem dank der Burg Giebichenstein ein wichtiges Zentrum für Gebrauchsgrafik in der DDR. Dem Besucher werden vor allem Plakate, Buch- und Zeitschriftencover, Verpackungen, Logos, Briefmarken und Spielkarten aus den Jahren 1945 bis 1990 gezeigt. Für manchen ist die Ausstellung eine Reise in die Vergangenheit. Jüngeren Besuchern vermittelt die Schau einen Einblick in eine zweckmäßige, aber künstlerisch ansprechende Gestaltung von Alltagsprodukten in der DDR. Heinz Möhrdels „Handschrift“ prägt die Ausstellung besonders, weil er einige seiner Produkte aus DDR-Zeiten beigesteuert hat, die er nach dem Ende der Schau dem halleschen Stadtmuseum überlassen will.

Zu vielen anderen der gezeigten Exponate konnte der jeweilige Gestalter jedoch gar nicht mehr zugeordnet werden. „Nach der Wende wurden Dokumente vernichtet und viele Firmen sehr schnell abgewickelt, weshalb es nun sehr schwer oder gar unmöglich ist, die einzelnen Urheber ausfindig zu machen“, erklärt die Kuratorin Ruth Heftrig.

Heinz Möhrdel hat sich auf Etiketten spezialisiert

Und noch etwas ist Heftrig zufolge bemerkenswert: Wer zum Beispiel genauer auf die Verpackungen von Backmittelhersteller „Kathi“ schaue, könne feststellen, „dass die Verpackungen, die für den Export vorgesehen waren, meist aus viel besserem Material hergestellt worden sind als die Verpackungen für den eigenen Markt“. Der Mangel sollte über die DDR-Grenzen hinaus nicht gleich sichtbar sein.

Heute wirbt Heinz Möhrdel für sein Schaffen mit dem Spruch „Ich gestalte Etiketten - sonst nichts!“. Seit der Wende habe er nichts anderes als eben dies gemacht und sich so einen guten Ruf in der Branche erarbeitet. „Nach dem Fall der Mauer war die Arbeit von uns Gebrauchsgrafikern kaum mehr etwas wert. Es wurden lieber die Kollegen aus den alten Bundesländern beauftragt, weil die angeblich mehr konnten“, erklärt er. Durch Zufall lernte er einen Braumeister aus Kulmbach in Halle kennen, der ihn fragte, ob er nicht auch für dessen Brauerei Etiketten herstellen möchte.

„So hatte ich im Juni 1990 mit acht Etiketten meine ersten 6 000 Westmark verdient“, erinnert sich der Grafiker. Möhrdel zog daraufhin ins fränkische Mainleus unweit von Kulmbach. Dort arbeitet er seit 1992 täglich an Etiketten. „Im Monat fertige ich bis zu drei Stück an, im Jahr sind es knapp 30“, sagt er. Seine Labels finde man vor allem bei Aldi, Globus, Penny und Norma. Möhrdel ist vor allem für die Spirituosenzulieferer der Supermärkte tätig. Und bei den Brauereien in Franken sei er bekannt wie ein bunter Hund.

Natürlich wird das Bier gekostet

Um die richtigen Ideen zu haben, komme es auf eine gute Kommunikation an. „Ich fahre immer zu der jeweiligen Brauerei und spreche mit dem Braumeister und koste natürlich auch das Bier“, so der Grafiker. Dass er nicht mit seinem Namen auf den Etiketten verewigt wird, macht dem Grafiker nichts aus. „Es ist meine Arbeit und ich bin ja kein Künstler, der diese signieren muss“, sagt er.

Stolz ist er dennoch, dass einige seiner Labels in einer Millionenauflage gedruckt werden. „Das ist eine schöne Sache“, sagt Möhrdel. Außerdem hat er einen erstaunliches Phänomen beobachtet: Wenn er eines der Etiketten nur ein wenig verändert, scheint vielen Kunden ihr Bier plötzlich fremd zu werden. „Das hat etwas mit Gewohnheit zu tun! Ich kann also darüber bestimmen, ob das Bier schmeckt oder nicht“, sagt Möhrdel und lacht. (mz)

„Masse und Klasse. Hallesche Gebrauchsgrafik im DDR-Kontext“: Stadtmuseum Halle, Große Märkerstraße 10, bis 4. 11., Di-So 10 bis 17 Uhr; Eintritt: 5, erm. 3 Euro, Kinder bis 14 Jahre frei

Verpackungen, die Heinz Möhrdel gestaltet hat
Verpackungen, die Heinz Möhrdel gestaltet hat
Thomas Ziegler/Stadt Halle