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Gottesbilder in Religion und Philosophie

Von Rudolf Grimm 07.01.2008, 14:16

Hamburg/dpa. - Streit um Sinn oder Unsinn des Glaubens an eine überirdische Instanz ist immer wieder ein Thema in Literatur und Medien. Weniger leidenschaftlich geht es zu bei den in Umfragen deutlich werdenden unterschiedlichen Vorstellungen von Gott unter gläubigen Menschen.

Detaillierte Befragungen zeigen, dass Gott für die einen ungefähr den Aussagen entspricht, die ihnen in ihrer Glaubensgemeinschaft vermittelt wurden. Andere glauben an etwas nicht genau Definierbares, etwa eine «höhere Macht». Die Unterschiede können für den Einzelnen existenzielle Bedeutung haben.

Die verschiedenen Gottesbilder in der Religions- und Geistesgeschichte sind Thema des Buchs «God. A Guide for the Perplexed» von Keith Ward, Professor für Theologie an der englischen Universität Oxford. Die deutsche Ausgabe ist jetzt mit dem Titel «Gott. Das Kursbuch für Zweifler» erschienen. Bei der Lektüre mag mancher feststellen, dass der Autor sich tatsächlich vor allem an die mit dem Original angesprochenen «perplexed» Menschen wendet, also solche, die wissenschaftliche Information über etwas Verwirrendes, intellektuell schwer Verständliches suchen - nicht an Zweifler. Er hat in diesem Sinne einen fundierten und detaillierten Führer durch die einschlägige Geschichte geschrieben.

Die Götter Griechenlands gelten heute praktisch nur noch als kulturgeschichtliches Phänomen. Doch hat ihre sehr irdisch-menschlich anmutende Welt, im guten und schlechten Sinne, immer noch eine gewisse Faszination. Auch eine poetische - wenn da zum Beispiel in Homers Epos «Ilias» von der aus dem Meer wie grauer Nebel früh «am Morgen sich durch die schwellende See ... hin zum unendlichen Himmel» erhebende Thetis die Rede ist oder von der «lilienarmigen Hera», dem die Leier spielenden Apollon und den neun Musen als Symbolen der schöpferischen Energie von Weisheit und Schönheit.

Ziemlich trist wirkt da im Vergleich das Gottesbild des französischen Philosophen Rene Descartes (1596-1650), Schüsselfigur in der Geschichte der Erkenntnistheorie: Nachdem Gott den Menschen als vollkommene Maschine entworfen und gebaut hatte, wurde er praktisch eigentlich überflüssig.

Schon lange vor den griechischen Göttern gab es in Ägypten unter dem Pharao Echnaton (14. Jahrhundert vor Christus) den Versuch, die Verehrung eines einzigen Gottes einzuführen. Doch bei den Israeliten setzte sich der Monotheismus zuerst durch. Der Gott von Moses und den jüdischen Propheten war nicht aus der Erde und dem Chaos geboren, sondern der Schöpfer der Erde und Vater aller Dinge, der verkünden ließ «Vor mir war kein Gott noch soll einer nach mir sein». Was er von den Menschen verlangte, ist inzwischen großenteils zu einer universalen Moral geworden - die zehn Gebote. Doch ist er für Religionsfeinde auch ein Beispiel für das potenzielle Unheil religiösen Glaubens, etwa mit seinen «Anweisungen zum Völkermord», auf die kürzlich einer verwies.

Eine neue Variante des Monotheismus ist das Christentum mit seinem dreifaltigen Gott - «für immer ein Geheimnis, aber keine Absurdität» schreibt Ward. In der Trinität wird Jesus als Inkarnation oder verkörpertes Bild Gottes angesehen und der Heilige Geist als gegenwärtige Wirklichkeit, die das Leben verändern kann. Allah und der Islam gehören nicht zu den Themen des englischen Professors.

Erheblich komplizierter und schwerer verständlich sind großenteils die von Ward dargestellten Gottesideen von Philosophen - von dem Griechen Platon über Descartes, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel bis zu Karl Marx und Martin Heidegger. Abgesehen davon, dass Hegel der «wohl unlesbarste Philosoph aller Zeiten» ist, so Ward, zeigt sich besonders bei ihm, dass Gott eigentlich kein wissenschaftliches Thema ist. Kaum einem religiös suchenden Menschen dürften jemals gedankliche Konstrukte geholfen haben. Dies mag auch für einen großen Teil theologischer Uberlegungen und Analysen gelten, die für Laien oft unverständlich sind.

Andererseits dürften Grundgedanken zum «Wesen der Religion», wie sie sich bei Friedrich Schleiermacher (1768-1834) finden, noch oder sogar gerade in unserer Zeit vielen Menschen sehr nahe sein - wie etwa, dass Religion «Intuition und Gefühl» sei, «Sinn und Geschmack für das Unendliche». Auch der Autor des zum Klassiker gewordenen Werks «Das Heilige», Rudolf Otto (1869-1937), lokalisierte das Herz der Religion im Nicht-Rationalen: Sie ist das Gefühl, mit etwas «ganz Anderem» konfrontiert zu sein, einem Mysterium, etwas jenseits aller Begriffe, das der Geist nicht erfassen kann.

Keith Ward

Gott. Das Kursbuch für Zweifler

Primus Verlag, Darmstadt

248 S., 29,90 Euro

ISBN 978-3-89678-625-8