Gossip in Leipzig Gossip in Leipzig:
LEIPZIG/MZ. - Beth Ditto lässt das Publikum gern mal warten. Doch zum Auftakt ihrer nur drei Konzerte umfassenden Tour durch Deutschland hat sich die Frontfrau der Band Gossip Samstagabend in der Leipziger Arena locker an das akademische Viertel gehalten. „Wie geht’s? Halloooo“, ruft sie in die etwas verkleinerte, aber dicht gefüllte Halle – und das Publikum schickt eine Jubelwelle zurück. Ist es doch zuvor durch das androgyne Disco-Electro-Club-Projekt „Hercules And Love Affaire“ des schwulen New Yorker DJs Andrew Butler bereits in beste Tanzlaune versetzt worden. Mit seinen drei herausragenden Sängerinnen – von denen eine ein Mann ist – den innovativen Beats und schrägen Punk-Versetzen müsste diese Gruppe längst Kultstatus haben. Vorband ist da fast eine Beleidigung. Beth Ditto weiß das natürlich – ebenso wie die Leipziger, die nicht nur beim Hercules-Hit „Blind“ frenetisch mitgehen.
So reichen anschließend Gossip schon die charakteristischen Gitarrenriffs von „Vertical Rhythm“, um tausende Gesichter strahlen und zahllose Handydisplays aufleuchten zu lassen. Fast unauffällig kommt Ditto auf die Bühne: im kurzen schwarzen Kleid mit Glitzer, ein bisschen hin und her tänzelnd, ganz auf ihre kraftvolle, charakteristische Stimme setzend. Die 29-jährige Amerikanerin, die mit üppiger Figur und ihrem Bekenntnis, lesbisch zu sein, konsequent gegen den Mainstream antritt, wurde dadurch nicht nur Kultfigur, sondern längst von Stars hofierter Teil des Show-Business. In Leipzig ist sie Kraftpaket und nettes Mädchen zugleich. Sie röhrt die rockig-punkigen Songs ins Mikro, stampft, rennt, hüpft, tanzt über den Laufsteg zum Publikum – bedankt sich aber nach jedem Lied brav mit gefalteten Händen und leichtem Kopfnicken fast geisha-haft für den Publikumsjubel: „Dankeschön“.
Bei Gossip gibt es keine ausgefeilten Choreografien, Backgroundsängerinnen oder gar Tänzer. Nur das Energiebündel Ditto – musikalisch souverän getragen von ihren beiden Bandmitgliedern und einem Gitarristen. Auch Videoleinwände sucht man vergebens. Gossip reichen vier Scheinwerferbrücken, um die Show ins rechte Licht zu rücken. So reißen bei „Four Letter Word“ weiße Strahlen Löcher in den blauen Lichtteppich, und die rhythmisch wechselnden Spots wirken eisig kalt wie die Temperaturen draußen vor der Arena.
Ob eigene Songs oder Coverversionen, Beth Ditto bleibt unverwechselbar und hat das Publikum fest auf ihrer Seite. Das macht mit „Oh-u, Oh-u“ den Chor zu „Pop Goes The World“ und beweist Textsicherheit bei Tina Turners „Whats Love Got To Do With It“. Das überrascht sogar Ditto, die lobt: „Sehr, sehr, sehr gut!“ Denn ein paar Brocken Deutsch hat sie sich antrainiert; schließlich behauptet sie ja: „Deutschland ist mein Lieblingsland.“ Und deshalb erhebt sie zwischendurch immer wieder das Glas, ruft „Prost“, lässt ein, zwei Rülpser los, sagt „Scheiße“, kichert, zuckt kokettierend die Schulter und entschuldigt sich mit dem Satz: „Mein Deutsch ist sehr kaputt.“
Ein bisschen Schrägheit muss eben sein – wenn sie diesmal schon aufs Strippen verzichtet. Dafür springt sie plötzlich bei „Men In Love“ von der Bühne zwischen die Fans, kämpft sich mit Wachpersonal-Hilfe Richtung Rang, hangelt sich irgendwie drei Meter hoch und wälzt sich frei über dem Abgrund hängend über das Geländer. Das Publikum hält die Luft an, schwankt zwischen Schreck und Bewunderung, denn bei all der Akrobatik singt Ditto weiter. Und dann geht’s den selben Weg zurück. „Kein Problem“, beruhigt sie das Publikum. Und bringt es dann mit „Love Long Distance“ zum Tanzen.
Nach nur 65 Minuten ist die Nacht der tausend Dankeschöns mit einem kurzen Tschüss schon zu Ende. Naja – nicht ganz. Vier Songs folgen noch als Zugaben. Natürlich auch der Superhit „Heavy Cross“. Und mit Whitney Houstons „Bodyguard“-Schmacht-Versprechen „I Will Always Love You“ entschwindet Beth Dito gerührt in die Nacht.