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Glenn Gould Glenn Gould: Das rätselhafte Lebensglück des Einzelgängers

Von Johannes Killyen 28.11.2002, 10:10

Halle/MZ. - Mit diesem einen Bild scheint bereits alles gesagt über Glenn Gould: Vor einem Flügel hat er auf dem Stuhl Platz genommen, dessen Beine der Vater einst eigenhändig abgesägt und mit höhenverstellbaren Schrauben versehen hat. Die Farbe blättert ab, die Sitzfläche wölbt sich bedrohlich nach unten. Glenn Gould, der nicht nur technisch vielleicht perfekteste Pianist des 20. Jahrhunderts sitzt also da: viel zu niedrig, die Beine übereinander geschlagen, die Hände in sträflich flacher Haltung, den Körper über die Tasten gebeugt, den Mund zum Mitsingen geöffnet.

Doch da ist mehr als der Exzentriker, der auf pianistische Anstandsregeln pfiff und schon zu Lebzeiten ein Kultobjekt war. Wieviel mehr - davon vermittelt der vorbildliche Bildband, der zum 70. Geburtstag und 20. Todestag des Pianisten jetzt im Nicolai-Verlag erschienen ist, einen Eindruck.

Ein ganz normaler Junge wird hier zuerst vorgestellt, der seinen Hund Nick liebt und den Gartenzwerg vor dem Elternhaus streichelt. Lediglich die Texte sind es, die dazu andere Geschichten erzählen von früher Begabung und Außenseitertum. Allmählich mehren sich dann die Bilder am Klavier, Goulds Miene wird so ernst, wie es das Leben für den Teenager gewesen sein mag. Dann ein Schnitt: Gould als junger Mann, der der Musik mit brennender Intensität nachspürt oder sich ihr mit Engelslächeln hingibt - und den Fotografen nicht mehr wahrzunehmen scheint.

Dies ist das Bild eines Einzelgängers, dem die Kunst Gesellschaft genug ist. "Isolation", hat Gould einmal geschrieben, "ist ein unabdingbarer Bestandteil menschlichen Glücks". Und sich 1964 von der Konzertbühne verabschiedet, die ihm die Freiheit nahm, "seine "Vorstellung eines Werkes nach den besten Kräften zu entwickeln".

Doch man begegnet in diesem Bildband auch dem Konzertpianisten Gould, dem Schwadroneur, dem Schauspieler. Als selbstironischer Spötter stützt sich der reife Meister auf ein Mischpult, hinter ihm auf 13 Monitoren sein eigener Kopf... ein Foto aus der Zeit der legendären Auf-nahme der Goldberg-Variationen. Schließlich: Glenn Gould als einsamer Spaziergänger, auf einsamer Parkbank und wieder als einsamer Mann am Klavier.

Doch als Exzentriker? Geoffrey Payzant schreibt dazu: "Glenn Gould ist ein überlegener, freundlicher und rücksichtsvoller Mensch. Er ist im Grunde genommen weder exzentrisch noch egozentrisch. Er ist jemand, der heraus gefunden hat, wie er leben will, und genau das tut."

Glenn Gould - Ein Leben in Bildern, Einleitung von Tim Page, Nicolai Verlag, 192 Seiten, 28 Euro