Gisela May ( Gisela May ( ) : Die Diva des Ostens

Halle (Saale) - So viele Weltstars hatte die kleine DDR nicht, jedenfalls nicht im kulturellen Beritt. Kurt Masur, der vor einem Jahr verstorbene frühere Gewandhauskapellmeister aus Leipzig, fällt einem ein. Der jetzt 81-jährige Peter Schreier auch, der einst als Tenor brillierte. Und die Schauspielerin Gisela May, die mit ihren Brecht-Weill-Abenden auf den großen Bühnen gefeiert wurde, von New York bis Mailand. Und zu Hause beliebt war wie kaum eine andere ihres Fachs.
Nun ist die May, die Diva des Ostens, in Berlin, ihrer jahrzehntelangen Wahlheimat, gestorben. Sie wurde 92 Jahre alt.
Mit ihrer unverwechselbaren, klaren, manchmal scharfen Stimme, aber auch mit ihrem extravaganten Auftreten hatte sie früh eine Aura geschaffen, die ihr künstlerische wie persönliche Freiheit garantierte. Allein mit dem Hang zur Krawatte, einer offenkundigen Verbeugung vor der Kollegin Claire Waldoff, dem Star der 1920er Jahre, hat sich Gisela May deutlich abgehoben vom deutschen Einheitsgeschmack. Als „Exportschlager“ für ihren ewig und ehrgeizig um Anerkennung ringenden Staat war sie so autark, wie man dort eigentlich nicht sein sollte und konnte.
Gisela May: Ruhm als Brecht-Interpretin
Vor allem als Brecht-Interpretin hat sie sich Ruhm und Zuneigung erworben - solistisch als Sängerin und Rezitatorin wie auch am BE, dem Berliner Ensemble, als Mutter Courage. Die Rolle der Marketenderin, die im Dreißigjährigen Krieg ein Geschäft machen will, ihre Kinder verliert und um ihr nacktes Leben kämpfen muss, hat sie, als legitime künstlerische Erbin der Dichterwitwe und Intendantin Helene Weigel, in den Jahren von 1978 bis 1992 legendär verkörpert. Dann verließ Gisela May, damals immerhin schon an die 70 Jahre alt, die Brecht-Bühne am Schiffbauerdamm.
„Für mich war Gisela May nach Helene Weigel die ,Königin‘ des Brecht-Theaters“, sagte BE-Intendant Claus Peymann am Freitag: „Das Berliner Ensemble ist in Trauer.“ Ein nobler, großer Satz, den man wohl als gültig für alle annehmen darf, die die May jemals auf der Bühne oder wenigstens im Fernsehen erlebt haben. Kaum denkbar, dass einer im Osten sie nicht gekannt hätte, ihre künstlerische Spur hat die Lebenswege wenigstens der Älteren vielmals gekreuzt.
Erste Engangements in Halle
Dass dem so ist, hat auch mit der stilistischen Vielfalt von Gisela May zu tun. Man ist versucht zu sagen, sie sei sich nicht zu schade für die sogenannte leichte Muse gewesen - aber das wäre zu kurz: Sie hat, ganz bei den 1920er Jahren, die bei aller politischen Zerrissenheit auch eine Zeit großer künstlerischer Blüte in Deutschland gewesen sind, den Unterschied zwischen „ernstem“ und „heiterem“ Fach nicht machen wollen.
So trat die May, die 1924 in Wetzlar als Tochter der Schauspielerin Käte May und des Schriftstellers Ferdinand May geboren worden war und eines ihrer ersten Engagements in Halle hatte, in den 1970er Jahren auch erfolgreich im Berliner Metropoltheater als Hauptdarstellerin in dem Musical „Hello, Dolly!“ auf. Und im gesamtdeutschen Fernsehen hat sie später neben Evelyn Hamann als deren Mutter in „Adelheid und ihre Mörder“ ein Millionenpublikum erobert.
Eine politische Heldin ist die May sicher nicht gewesen, als Aushängeschild hat sie ihrem Land treu gedient. Aber im Privaten, so wenig sie davon bekannt werden ließ, gab es doch etwas, das man immer mit Respekt notiert hat: Die Künstlerin, in erster Ehe mit dem Journalisten Georg Honigmann, dem Vater der Schriftstellerin Barbara Honigmann, verheiratet, lebte seit Mitte der 60er Jahre mit dem Philosophen Wolfgang Harich (1923-1995) zusammen - einem frühen DDR-Widerständler, der jahrelang im Zuchthaus gesessen, aber eben auch mit der Stasi kooperiert hatte. Ein gebrochener Mann neben der glamourösen Diseuse - eigentlich ein Filmstoff. Aber das ist ein anderes Thema. (mz)