Gewaltverbrechen in der DDR Gewaltverbrechen in der DDR: Drei spektakuläre Kriminalfälle aus Sachsen-Anhalt
Halle (Saale) - Meldungen über schwere Verbrechen wie Mord und Totschlag lesend, könnten Zeitungsleser, die in der DDR sozialisiert wurden, zu dem Schluss kommen lassen: „Das gab es früher nicht!“ Doch wie Bernd Kaufholz in zehn Büchern zeigte, gehörten Kapitalverbrechen auch zum DDR-Alltag.
Der Unterschied zu heutigen Gepflogenheiten ist jedoch, dass in den Medien über gewaltsam zu Tode gekommene Menschen und Prozesse gegen Täter nur dann berichtet wurde, wenn es sich nicht vermeiden ließ, sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung eine Straftat aufklären helfen sollten oder wenn es propagandistisch nützlich war.
Die Medien schwiegen meist
Meist blieben Gewaltverbrechen in der Presse unerwähnt, so dass der Eindruck entstehen musste, die DDR sei eine heile Welt. Aber das ist ein Irrtum. Auch zwischen Elbe und Oder wurden bis 1989 Menschen ums Leben gebracht, und zwar aus allen nur denkbaren Beweggründen: aus Hass oder Habgier, Eifersucht oder sexueller Perversion.
Derartiges widersprach freilich der von der Sowjetunion übernommenen Ideologie, der zufolge der neue Mensch auf dem Weg zum Kommunismus sich von Straftaten jeder Art freimacht. Weil aber nicht sein kann, was nicht sein darf, ließ der Staat nichts unversucht, um die DDR-Öffentlichkeit über Schwerverbrechen im Unklaren zu lassen.
Doch wie der Magdeburger Autor Kaufholz im Gespräch über die von ihm rekonstruierten Kriminalfälle aus DDR-Zeiten betont: „Die Menschen im Sozialismus waren dieselben wie im Kapitalismus - und damit auch die Motive für Mord und Totschlag. Was auch bedeutet: Man kann zwar die Gesellschaftsordnung ersetzen, aber die Menschen nicht einfach austauschen.“
Blick in die Geschichte
Nach vielen Einzelpublikationen über spektakuläre Kriminalfälle legt Kaufholz nun ein „Best of“ vor. Drei Bände konnte der Autor füllen, die im Mitteldeutschen Verlag Halle erschienen sind. ("Spektakuläre Kriminalfälle - Best of" hier bei Amazon kaufen)
Während im ersten Buch Fälle enthalten sind, die sich vor 1948 zutrugen, vereinen die Bände zwei und drei Berichte aus den 50er bis 80er Jahren, also aus vier DDR-Jahrzehnten. Doch die Fälle konzentrieren sich allesamt auf das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt, weshalb der Untertitel für den zweiten und dritten Band („Die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR“ - hier bei Amazon) etwas irreführend ist.
Dennoch werden die meisten von Kaufholz komprimiert beschriebenen Fälle dem spektakulären Superlativ gerecht:
Allen voran jener Amoklauf, der sich im Sommer 1980 in dem kleinen Börde-Ort Niederndodeleben zutrug. Dort erschoss ein Mann auf einem Rachefeldzug insgesamt sechs Menschen, darunter seine Ehefrau und die gemeinsame 13-jährige Tochter, und dann sich selbst. Volks- und Kriminalpolizei des Bezirks Magdeburg waren mit einem Großaufgebot an Menschen und Material vor Ort. Allein sieben Schützenpanzer umstellten Haus und Grundstück des Attentäters.
Halles Kreuzworträtsel-Fall
Auf andere Art spektakulär war der Kreuzworträtsel-Mordfall, der 1981 in Halle für Aufsehen sorgte. In einem Koffer, der im Januar des Jahres an der Bahnstrecke Halle-Leipzig gefunden wurde, entdeckte man die Leiche eines siebenjährigen Jungen aus Halle-Neustadt. Wie Untersuchungen ergaben, war er das Opfer eines Sexualdelikts geworden.
Ausgestopft war der Koffer mit Zeitungen und Zeitschriften, bei denen die Kreuzworträtsel ausgefüllt waren. In Ermangelung anderer Spuren sammelte die Kripo Schriftproben: 21 000 an der Zahl. Nach Überzeugung der Schriftsachverständigen musste eine Frau mittleren Alters die Rätsel ausgefüllt haben. Über sie gelangte man zum Verlobten der Tochter, der nach vielen Verhören gestand, den Jungen sexuell missbraucht und anschließend getötet zu haben, um die Tat zu verschleiern.
Am Ende des „Kreuzworträtsel-Falls“ stand ein spektakulärer Ermittlungserfolg. Doch so intensiv in der DDR durch Kripo und Stasi auch ermittelt wurde, nicht immer konnte ein Täter überführt werden. Dafür finden sich in Kaufholz’ Sammlung einige Beispiele aus den früheren Bezirken Halle und Magdeburg.
Da ist der Fall einer jungen Frau aus Staßfurt, die 1979 tot auf einer Landstraße bei Eickendorf im heutigen Salzlandkreis gefunden wurde. Ging man erst von einem Unfalltod der 19-Jährigen aus, stellte sich bei der Obduktion heraus, dass sie Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Zwar war ihr Freund dringend tatverdächtig, aber die Indizien reichten nicht aus, um ihm vor Gericht zu bringen. Der Fall wurde zu den Akten gelegt, der Mörder des schwangeren Mädchens bis heute nicht gefunden. (mz)
Bernd Kaufholz: „Die spektakulärsten Kriminalfälle - Best of“, 3 Bände, Mitteldeutscher Verlag Halle, je 12 Euro