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Geschichte Geschichte: Zarenwitwe Maria Fjodorowna kehrt nach Russland zurück

Von Erik Albrecht 15.09.2006, 06:43
Ein Bild der Zarin Maria Fjodorowna in der Ausstellung «Die Heimkehr nach Russland» über Zar Alexander III. und Zarin Maria Fjodorowna in St. Petersburg (Foto: dpa)
Ein Bild der Zarin Maria Fjodorowna in der Ausstellung «Die Heimkehr nach Russland» über Zar Alexander III. und Zarin Maria Fjodorowna in St. Petersburg (Foto: dpa) EPA

St. Petersburg/dpa. - Acht jungeSoldaten tun so, als trügen sie einen Sarg auf ihren Schultern in dieKirche. St. Petersburg probt die Rückkehr der Zarenwitwe MariaFjodorowna (1847-1928), der Mutter des letzten Zaren Nikolai II..

Am 28. September soll die in Dänemark geborene Zarenwitwe mitgroßem Pomp in der Kathedrale neben ihrem Mann Zar Alexander III. die letzte Ruhe finden. Einige Tage zuvor, am 23. September, werden ihreim dänischen Roskilde bestatteten Gebeine ausgegraben. Die Umbettungwird eines der letzten zaristischen Großereignisse in Russland sein,nachdem 1998 die Gebeine des von den Bolschewiken ermordeten ZarenNikolai aus Jekaterinburg nach St. Petersburg übergeführt wordenwaren.

Für die Museumswärterinnen in der Petersburger Kathedrale ist dieGeneralprobe für die Umbettung Marias schon der Höhepunkt. Daseigentliche Ereignis werden sie - wie Millionen anderer Russen - nurvor dem Fernseher erleben können. Die 400 Einladungen zur Teilnahmean dem Ereignis gingen an ausgewählte Gäste, darunter 40 Nachkommender Zarenfamilie Romanow. Auch das dänische Kronprinzenpaar, derrussische Präsident Wladimir Putin und der russisch-orthodoxePatriarch Alexi II. werden in St. Petersburg erwartet. Da bleibt keinPlatz für die Rentnerinnen, die sonst über die Gräber derHerrscherfamilie wachen.

Im Herbst 1866 kam die dänische Königstochter Dagmar im Alter von18 Jahren nach Russland. Zum orthodoxen Glauben übergetreten,heiratete sie am 9. November als Maria Fjodorowna den jungenAlexander, der von 1881 bis zu seinem Tod 1894 als Zar Alexander III.regierte. In den Nachwirren der Russischen Revolution floh dieZarenwitwe 1919 vor den Kommunisten zunächst nach England und späterin ihre alte Heimat Dänemark, wo sie 1928 starb. Mit dem Begräbnis ander Seite ihres Mannes in der St. Petersburger Grabkirche derRomanows wird nun 78 Jahre nach ihrem Tod ihr letzter Wunsch erfüllt.

«Mit der Umbettung von Maria schließt sich eine Seite derrussischen Geschichte», sagt Historiker Wladimir Gendrikow. Er istdafür verantwortlich, dass die dreitägigen Feierlichkeiten genau demBegräbnisritual der Zarenfamilie folgen. Die sterblichen Überrestevon Maria werden den gleichen Weg nehmen, den vor 140 Jahren diejunge Dänenprinzessin bei ihrer Ankunft in Russland nahm.

Wenn der Sarg am 26. September nach drei Tagen Fahrt an Bord desdänischen Marineschiffs «Esbern Snare» St. Petersburg erreicht, soller zunächst in der Kapelle des Palasts von Peterhof vor den Toren derStadt aufgebahrt werden. Dort können die Bürger der Zarenwitwe dieletzte Ehre erweisen.

Gendrikow rechnet mit großem Zulauf. «Die Sowjets wollten mit demhistorischen Erbe des Zarenreichs brechen, doch die Geschichte hatgezeigt, dass das nicht möglich ist.» Lange Zeit hätten nur Expertendiesen Teil der russischen Geschichte gekannt, erzählt Gendrikow.Doch das Interesse an der zaristischen Vergangenheit wachse.

«Es gibt derzeit geradezu einen Kult für alles Russische», meintauch Fürst Andrej Gagarin, Vorsitzender der St. PetersburgerAdelsvereinigung. Die Menschen sehnten sich nach jener fernen Zeit,als das russische Reich noch eine Großmacht war.

Wie groß das Interesse der Russen an der Zeit der Zaren ist, lässtsich an den Besucherzahlen der St. Petersburger Manege ablesen: 4000Menschen täglich besuchten am ersten Wochenende eine Ausstellung überdas Leben von Zar Alexander III. und Maria Fjodorowna.

Kritiker der geplanten Umbettung finden sich unter den meistälteren Besuchern kaum. «Sie haben einander sehr geliebt. Deshalbsoll Maria Fjodorowna auch neben ihrem Mann begraben werden», sagtBesucherin Galina Piroschenko nach dem Rundgang durch dieAusstellung.