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Geschichte Geschichte: Vor 50 Jahren starb Claire Waldoff

Von Caroline Bock 16.01.2007, 07:02
Die Schauspielerin und Kabarettistin Claire Waldoff (Foto: dpa)
Die Schauspielerin und Kabarettistin Claire Waldoff (Foto: dpa) A9999 DB ZB

Berlin/dpa. - Mit Liedern wie«Hermann heeßta», «Wer schmeißt denn da mit Lehm?» und «Hannelore»war sie zu Kaisers Zeiten und in der Weimarer Republik berühmt undein bisschen berüchtigt. Die «Times» hielt ihre Auftritte für eineBerliner Sehenswürdigkeit wie das Brandenburger Tor.

Dabei kam die Kabarettistin noch nicht einmal aus der Hauptstadt,sondern aus dem Ruhrpott. Sie wuchs auch nicht im Zille-Milljöh derBerliner Hinterhöfe auf, sondern wurde 1884 als Kind einerGelsenkirchener Großfamilie geboren. Damals hieß sie noch ClaraWortmann. Die Eltern schickten ihr Kind nach Hannover, wo es dasGymnasium besuchte und bei der Familie des späteren SchauspielersTheo Lingen wohnte.

Eigentlich wollte Claire Waldoff Ärztin werden, entschied sichaber für die Bühnenlaufbahn. Nach Auftritten in Bad Pyrmont und inOberschlesien zog sie mit Anfang 20 nach Berlin, wo sie 1906 ihreersten Auftritte hatte. Im Kabarett, einer Form, die gerade ausFrankreich importiert wurde, feierte sie 1908 ihr Debüt. ClaireWaldoff muss damals eine Aufsehen erregende Erscheinung gewesen sein:eine kleine, rundlich-drollige Frau in Schlips und Kragen, die aufder Bühne eher trompete als dass sie sang, die aber auch ganzpoetisch und anrührend sein konnte, wenn sie etwa Tucholskys«Mutterns Hände» anstimmte.

Angeblich war Waldoffs Erfolg gleich so überwältigend, dass nochin der Nacht ihr Name auf den Plakaten groß gedruckt werden musste.Ihre Biografie steckt voller solcher Anekdoten. So soll sie zumBeispiel das Wort «knorke» (toll) erfunden haben, als sie nach einemReim für «Lorke» (Brühe) suchte. Mit dem Maler Zille, der ihreleuchtend roten Haare mit einer Omnibuslaterne verglich, erkundetedie Sängerin die Kneipenwelt. In ihren Liedern ging es um dieeinfachen Leute, den «Balina» Ton traf sie perfekt. Sie war frivol,ohne obszön zu sein, wie zum Beispiel in dem Gassenhauer «Wegen Emilseine unanständige Lust».

Der Volksmund dichtete zur NS-Zeit den alten Schlager «Hermannheeßta» auf den gleichnamigen Göring um: «Rechts Lametta, linksLametta und der Bauch wird imma fetta und in Preußen issa Meesta,Hermann heeßta.» Solche Zeilen kamen im Nazi-Deutschland nicht gutan, Platten durfte sie nicht mehr aufnehmen. Auch dass Claire Waldoffaus ihrem Faible fürs eigene Geschlecht kein großes Geheimnis machte,war in der Weimarer Republik zwar en vogue, aber entsprach natürlichnicht Hitlers Frauenideal.

Nach dem Krieg zog sich Claire Waldoff mit ihrer langjährigenLebensgefährtin Olly von Roeder immer weiter ins Privatleben zurückund verarmte. Sie starb am 22. Januar 1957 im Alter von 72 Jahren inihrem bayerischen Exil in Bad Reichenhall, ihre letzte Ruhestätte inStuttgart teilt sie sich mit ihrer Freundin. Heute tragen sowohl imOsten als auch im Westen Straßen den Namen Waldoffs. Vor demFriedrichstadtpalast steht eine Büste, die an die berühmte BerlinerGöre erinnert - und an die wilden 20er Jahre an der Spree.