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Geschichte Geschichte: Untergang der legendären «Pamir» wird verfilmt

Von Wolfgang Schmidt 06.09.2004, 09:02
Günther Hesselbach (M), einer der sechs Überlebenden des Untergangs der «Pamir», wird kurz nach seiner Rettung am 24.09.1957 auf einer Trage auf die «Absecon», ein Schiff der US-Küstenwache, gehoben. Am 21.09.1957 sank das Segelschulschiff der deutschen Handelsmarine etwa 600 Seemeilen südwestlich der Azoren in den Stürmen eines Hurrikans. An der Suche nach Überlebenden beteiligten sich dutzende Schiffe, nur sechs von 86 Besatzungsmitgliedern konnten gerettet werden. Der Untergang der «Pamir» ging als größte deutsche Schiffskatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichte ein. Jetzt will Produzent Matthias Esche den Stoff verfilmen. In der Hauptrolle wird Schauspieler Klaus J. Behrendt als Bootsmann Acki Lüders zu sehen sein. (Foto: dpa)
Günther Hesselbach (M), einer der sechs Überlebenden des Untergangs der «Pamir», wird kurz nach seiner Rettung am 24.09.1957 auf einer Trage auf die «Absecon», ein Schiff der US-Küstenwache, gehoben. Am 21.09.1957 sank das Segelschulschiff der deutschen Handelsmarine etwa 600 Seemeilen südwestlich der Azoren in den Stürmen eines Hurrikans. An der Suche nach Überlebenden beteiligten sich dutzende Schiffe, nur sechs von 86 Besatzungsmitgliedern konnten gerettet werden. Der Untergang der «Pamir» ging als größte deutsche Schiffskatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichte ein. Jetzt will Produzent Matthias Esche den Stoff verfilmen. In der Hauptrolle wird Schauspieler Klaus J. Behrendt als Bootsmann Acki Lüders zu sehen sein. (Foto: dpa) dpa

Flensburg/dpa. - Die «Pamir» ist so legendär, dass sie eineigenes Lied hat. «Aus der alten Zeit der Seefahrt grüßt euch unsereViermastbark, eine, die auf allen Meeren Ruhm und Ehre sich erwarb» -so heißt es im «Lied der Pamir».

Jahrzehntelang ist der stolze Segler auf den Weltmeeren unterwegs,transportiert Getreide oder Salpeter, an Bord werden Matrosen derHandelsmarine ausgebildet. Doch am 21. September 1957 ist allesvorbei: Die «Pamir» versinkt im tosenden Atlantik, von 86Besatzungsmitgliedern überleben nur 6 die Tragödie. Die meisten Opfersind junge Männer um die 20. Der Untergang der «Pamir» geht alsgrößte deutsche Schiffskatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg in dieGeschichte ein. Das Unglück wird zum riesigen Medienereignis.Überwältigend die Anteilnahme; sogar der Papst kondoliert.

Fast ein halbes Jahrhundert später sitzen ein paar Filmleute inder Flensburger Förde auf einem anderen altehrwürdigen Viermaster,der russischen «Krusenstern». Bei einem sechsstündigen Ostseetörnversuchen sie, «Pamir»-Atmosphäre aufzuschnappen undDrehmöglichkeiten auszuloten. Matthias Esche, Produzent der HamburgerPolyphon, mit Programmen wie «Familie Dr. Kleist»,«Schwarzwaldklinik», «Pfarrer Braun» oder den Kommissaren Stubbe undSperling erfolgreich, will den spannenden Stoff verfilmen.

Herauskommen soll ein so genanntes Eventprogramm für die ARD - mitdem Kölner Tatortkommissar Klaus J. Behrendt in der Hauptrolle alsBootsmann Acki Lüders. «Ganz doll» freue er sich darauf, sagt der 44-Jährige. «In meinen Augen ist das ein Thema, das man verfilmensollte.» Behrendt nickt bekräftigend: «Ich finde, das ist einwahnsinnig spannendes Thema; immerhin haben von 86 Leuten nur 6 jungeMänner überlebt. Außerdem waren damit die Ausbildungsfahrten für dieHandelsmarine zu Ende.»

Seefahrt ist für Behrendt ohnehin spannend. Über die Aufgabe, sichin den schweren Job eines Seemanns auf einem Jahrzehnte altenSegelschiff hineinzufinden, macht er sich keine Illusionen: «Ichwerde mich richtig reinknien müssen», sagt der gebürtige Westfale.

Der Regisseur will die Schauspieler das harte Leben auf einemalten Segler hautnah erfahren lassen. «Wir müssen sie für eine Wocheaufs Schiff schicken, damit sie die Abläufe kennen lernen», sagtKaspar Heidelbach. Er hat das Regie- und Ausstattungsteamzusammengeschart, mit dem er schon «Das Wunder von Lengede» gemachthat. Aufmerksam studiert Heidelbach die Törnpläne der «Krusenstern»- der früheren «Padua» - für die nächsten Monate.

Der Viermaster ist der letzte der legendären «Flying-P-Liner» -alle Namen der Schiffe aus dieser Reihe hatten den Anfangsbuchstaben«P». Er ist baugleich mit der «Pamir», wenn auch mit «Geburtsjahr»1926 um 21 Jahre jünger. Ein weiteres Schwesterschiff, die «Passat»,liegt als Museumsschiff fest vertäut in Lübeck-Travemünde. Sie warder «Pamir» auf deren letzter Fahrt im Atlantik begegnet.

Gründlich schaut sich das Filmteam an diesem Augusttag auf dem 114Meter langen Großsegler um, auf dem Matrosen für die russischeHandelsmarine ausgebildet werden, der aber auch Touristen mit aufReisen nimmt. Vieles hat sich an Bord verändert und kommt deshalb alsKulisse für das Bordleben vor fast einem halben Jahrhundert nichtmehr in Frage. Hellgrüne Tampen und die Plastiksegel sindSzenenbildner Götz Weidner sofort ein Dorn im Auge. «Was das Lebenhart macht, ist alles abgeschafft worden», kommentiert er nach einemRundgang.

Für den Film wird viel nachgebaut werden müssen, um die «Pamir»-Katastrophe zu drehen. «Auch wenn man uns etwa sagt, dieKapitänskajüte ist originalgetreu, können wir sie schließlich nichtfluten», sagt Weidner. Filme, die mit Wasser und Meer zu tun haben,sind sein Metier. «Und von der "Pamir" habe ich als Kind schon einPapiermodell gebastelt.»

Ebenso fasziniert vom Segeln wie von der «Pamir»-Tragödie ist derRegisseur, der von einem wahnsinnig dramatischen Stoff spricht - daspersönliche Schicksal der vielen jungen Männer vor Augen, denspektakulären Untergang des Schiffes und die Qualen der wenigenÜberlebenden auf dem kleinen, zertrümmerten Rettungsboot in der Weitedes Ozeans.

Dass dem Haupthelden im Film eine langjährige Feindschaft mit demkurzfristig eingesetzten Kapitän zugeschrieben wird, sorgt für einenzusätzlichen dramaturgischen Farbtupfer. «Wir machen ja auch keinenDokumentarfilm», erzählt Heidelbach über das Millionenprojekt, das imnächsten Jahr produziert werden soll. «Sie könnten ein bisschen mehrSegel setzen», sinniert der Regisseur bei seinem Ostseetörn RichtungDänemark. Gemächlich gleitet der Großsegler immer weiter aus derFlensburger Förde hinaus in Richtung freie Ostsee.

Wo der Untergang der «Pamir» gedreht werden soll, steht noch nichtfest. In Frage käme zum Beispiel Malta: «Da gibt es die größtenWasserbecken», weiß der Regisseur. «Hast du den Steuerplatz gesehen,Götz? Der ist ja ziemlich unromantisch», ruft Heidelbach seinemSzenenbildner zu. «Wind, Wind», freut er sich dann aber dochzumindest über die aufgekommene Brise.

«Bootsmann» Behrendt ist dem großen Fernsehpublikum zwar vor allemals Tatortkommissar Max Ballauf bekannt. Doch er sieht sich mit demschauspielerischen Ausflug aufs Meer keinesfalls auf Abwegen: 130Filme habe er gemacht, und viele davon hätten mit Abenteuer zu tun.«Ich habe schon immer für Behrendt eine Abenteuergeschichte gesucht»,sagt Regisseur Heidelbach - und lüftet ein Geheimnis: «Dietmar Bärwird auch dabei sein.» Das Kölner «Tatort»-Kommissarsduo bleibt alsoauch für die Geschichte der «Pamir» zusammen.

Die prächtige Bark war in ihrer stolzen Geschichte unterdeutscher, finnischer und neuseeländischer Flagge unterwegs. 1949passierte sie als letztes Segelschiff mit Fracht an Bord und ohneMotorkraft das stürmische Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas. ZurProbefahrt als Segelschulschiff im Dezember 1951 ging in Kiel auchBundespräsident Theodor Heuss an Bord.

Jahrzehntelang trotzte die Bark Wind und Wetter, nicht nur vor KapHoorn. Das letzte Kapitel für den Großsegler beginnt 52 Jahre nachdem Stapellauf am 17. September 1957 südwestlich der Azoren. DerHurrican «Carrie» tobt, die Lage der «Pamir» wird immer bedrohlicher,Wasser läuft in die Aufbauten, die Segel zerfetzen, Todesangstergreift die Besatzung. 35 Grad Schlagseite meldet Kapitän JohannesDiebitsch am 21. September.

Um 11.57 Uhr geht sein letzter Funkspruch ab, das Schiff sinkt.Die Ursache für die Katastrophe ist umstritten: Waren Segel falschgesetzt, kam die in Buenos Aires aufgenommene Getreideladung - fast4000 Tonnen Gerste - so ins Rutschen, dass die «Pamir» keine Chancehatte? Bis heute treiben diese Fragen Betroffene und Fachleute um.

Eine bis dato in dem Ausmaß unbekannte Rettungsaktion nimmt ihrenLauf, dutzende Schiffe beteiligen sich an der Suche nachÜberlebenden, am 22. September kreisen portugiesische undamerikanische Flugzeuge über dem Unglücksgebiet. FünfBesatzungsmitglieder werden schließlich aus dem Wrack einesRettungsbootes geborgen, ein sechster aus einem anderen. GanzDeutschland war damals bestürzt und erschüttert.

Das Filmteam hat die Geschichte genau studiert, Bücher gelesen,Fotos und Dokumente analysiert. «Wir haben relativ viel Material»,berichtet Produktionsleiterin Christine Carben-Stotz. Für dieSüddeutsche ist der Segeltörn im hohen Norden nicht ganz das Wahre.Zu den voraussichtlichen Kosten des Projektes will sie nichts sagen.«Das hängt von vielen Fragen ab: Was verlangt das Drehbuch, wo wirdder Untergang gedreht, welche special effects brauchen wir?» DieGeschichte selbst gebe alles her.

Vieles ist noch offen. So sinnieren Producerin Corinna Zola-Placeund Herstellungsleiter Christoph Bicker nach der Abfahrt aus demFlensburger Hafen darüber, wie man in Buenos Aires spielende Szenendrehen kann, oder ob sich die «Passat» für Innenaufnahmen eignet.Auch die für das «Wunder von Lengede» gebauten «Water Studios» inGoslar hat Bicker im Kopf. Große Bassins, die man kontrolliert flutenkann, werden benötigt, für die Rettungsboot-Szenen fällt auch BickerMalta ein. «Seegang zu simulieren ist wahnsinnig schwierig», sagt derHerstellungsleiter. «Wir prüfen auch, was man digital animierenkann.» Aber auch das sei aufwendig und teuer.

Gegen Ende des Erkundungstörns auf der «Krusenstern» ist auchSzenenbildner Weidner noch fündig geworden, im Ruderhaus: «Da gibt esnoch einen wunderschönen alten Kompass.» Ob er auch als Filmrequisitetaugt, muss sich noch zeigen - 2006 könnte der Streifen im Fernsehenzu sehen sein.