Geschichte Geschichte: Germanen am Harz lauerten auf Römer

Kalefeld/ddp. - Bisher waren Experten davon ausgegangen, dass sich die Römernach ihrer verheerenden Niederlage in der Varusschlacht im Jahre 9 n.Chr. hinter den Limes zurückgezogen und keine militärischenExpeditionen ins heutige Norddeutschland mehr unternommen hatten.Sensationelle archäologische Funde belegen nun offenbar dasGegenteil.
Am Montag präsentierten Wissenschaftler im Original und auf FotosFundstücke von dem kürzlich entdeckten antiken Schlachtfeld imniedersächsischen Landkreis Northeim: Eiserne Speer- undPfeilspitzen, metallene Katapultgeschosse, aber auch Zeltheringe,Sandalennägel und eine «Hipposandale» - ein spezieller Hufschutz fürPferde und Maultiere, wie er nur beim römischen Heer verwendet wurde.
Rund 1000 römische Legionäre könnten an der «ausgedehnten antikenSchlacht» beteiligt gewesen sein, vermutet die NortheimerKreisarchäologin Petra Lönne. Auf Seiten der Römer kämpften wohl auchsyrische Bogenschützen - sie verwendeten damals dreiflügeligePfeilspitzen, die ebenfalls in dem Wald bei Kalefeld gefunden wurden.Wie viele Germanen ihnen gegenüberstanden und wie der Kampf endete,wollen Lönne und ihre Kollegen in den kommenden Monaten erforschen.
Die Funde belegten, dass das Schlachtfeld etwa 1,5 mal 0,5Kilometer groß gewesen sei, berichteten die Archäologen weiter. Siekonnten inzwischen einzelne Kampfszenen wie den Einschlag vonPfeilsalven oder Infanterieangriffe nachvollziehen. «Kein anderesantikes Schlachtfeld, das Archäologen bisher entdecken konnten, hatso eindrucksvoll ungestörte Hinterlassenschaften erbitterter Kämpfegeliefert», sagte Lönne.
Nachdem die Archäologen die Schlacht nach ersten Funden noch aufdie Zeit um Christi Geburt datierten, brachten spätere Entdeckungendie Gewissheit, dass der Kampf am Harzhorn mindestens zweiJahrhunderte nach der Varusschlacht getobt haben muss. SichereHinweise darauf lieferten eine Münze mit dem Porträt des römischenKaisers Commodus, der von 180 bis 192 n. Chr. regierte, sowie einMesserfutteral, «das nicht vor dem ausgehenden zweiten Jahrhundertentstanden sein kann», sagte der Archäologe und Historiker GüntherMoosbauer.
Nach seinen Angaben ist in der Literatur für das Jahr 235 zwar einVergeltungsfeldzug der Römer gegen die den Limes berennenden Germanenüberliefert. Doch seien diese Kämpfe von der Forschung in der Nähedes Grenzwalls angesiedelt worden, da ein neuerliches Vordringen derRömer viele hundert Kilometer nach Norden unwahrscheinlich erschien.«Die nun nachgewiesene römische Präsenz am Harzhorn bedeutet, dasswir einen neuen Blick auf die alten Quellen werfen müssen», sagteMoosbauer.
Die Entdeckung des einzigartigen Römer-Schlachtfeldes geht aufzwei Kalefelder Sondengänger zurück, die das Areal im Frühjahr 2000auf eigene Faust und ohne Genehmigung auf der Suche nach einermittelalterlichen Burg mit ihren Detektoren erforscht hatten. «Wirsind mit unseren elektronischen Krückstöcken den Wald abgegangen undkamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Das piepste andauernd, wohinwir uns auch drehten», berichtete einer der Beteiligten.
Im Erdboden entdeckten die Hobbyforscher etliche Bolzen, Nägel undein zunächst nicht zu identifizierendes Metallteil. Als sie in diesemFrühjahr ein Foto davon ins Internet stellten, bekamen sie denHinweis, dass es sich um eine römische Hipposandale (Pferdeschuh)handelte: «Dann haben wir sofort die Northeimer Kreisarchäologininformiert.» Im Juni begannen die Ausgrabungen. Um Raubgräberabzuhalten, wurden die Arbeiten bis zur vergangenen Woche vor derÖffentlichkeit geheim gehalten.