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Geschichte Geschichte: 100. Todestag von Theodor Mommsen wird begangen

Von Rudolf Grimm 01.11.2003, 17:07

Hamburg/dpa. - Theodor Mommsen (1817-1903) schrieb schon in jungen Jahren eines der renommiertesten Werke der Historikerzunft: Seine «Römische Geschichte». Er gilt damit bis heute als ein Historiker der Sonderklasse. Die von der Gründung Roms bis Julius Caesar reichende Darstellung ist von genialer Bild- und Gedankenkraft. Der Teilnehmer der demokratischen 1848-Bewegung verlieh ihr mit seinen immer wieder auf die eigene Zeit bezogenen leidenschaftlichen Urteilen auch politische Aktualität. Am Samstag (1. November) wird Mommsens 100. Todestag begangen.

1902, ein Jahr vor seinem Tod, erhielt Theodor Mommsen für seine «Römische Geschichte» den Literaturnobelpreis - als «größter lebender Meister der historischen Darstellungskunst», wie es damals hieß. Nie wieder ist einem Historiker diese Ehrung zuteil geworden. Das in acht Sprachen übersetzte Werk erlebte viele Auflagen und liegt weiterhin in einer achtbändigen Taschenbuchausgabe vor (dtv, 86 Euro). Studenten pflegen sie allerdings kaum mehr zu lesen, wie der Althistoriker Christian Meier sagt. «Man weiß heute mehr. Aber auch wenn viel von der Forschung aus gutem Grund nicht mehr übernommen wird, gibt es hier doch überzeugende Stellen, an denen man sich mit Gewinn reiben kann.»

Die zu den herausragenden deutschen Geschichtswissenschaftlern der Gegenwart gehörenden Zwillinge Hans und Wolfgang J. Mommsen sind Urenkel des aus dem schleswig-holsteinischen Garding stammenden Pastorensohns. Beide haben mit ihm Konfliktfreude, pointierte Schärfe und eine liberale Grundhaltung gemeinsam. Wie Hans im Gespräch zu verstehen gibt, ist ihm in der Einschätzung des Vorfahren vor allem dessen politische Position wichtig. «Er war einer der wenigen, die in der wilhelminischen Zeit an ihrer liberalen Position festgehalten haben. Hätte er sich angepasst, hätte er sicher den Schwarzen Adlerorden bekommen» - den mit dem Erbadel verbundenen höchsten preußischen Orden.

Unter den Äußerungen, welche die Grundhaltung des Berliner Professors und seine Opposition gegen den Zeitgeist charakterisieren, ist eine Briefstelle aus dem Jahr 1885. Da heißt es, dass er «von dieser Nation ohne Rückgrat persönlich so bald wie möglich vergessen sein» wolle.

In seinem erst nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt gewordenen Testament ist die Rede von «unserer Nation, bei der der Einzelne, auch der Beste, über den Dienst im Gliede und den politischen Fetischismus nicht hinauskommt. Diese innere Entzweiung mit dem Volke, dem ich angehöre, hat mich durchaus bestimmt, mit meiner Persönlichkeit, soweit mir dies irgend möglich war, nicht vor das deutsche Publikum zu treten, vor dem mir die Achtung fehlt.»

Nach der nur bis Caesar reichenden, also unvollendet gebliebenen dreibändigen «Römischen Geschichte» waren seine Leistungen als Rom- Forscher vor allem grundlegend für die Inschriften- und Münzkunde sowie die Rechtsgeschichte. 1884 schob er jenem 1854/56 publizierten Torso noch einen Band über die Provinzen des Imperiums nach, den er als 5. deklarierte. Einen 4. Band mit der Darstellung der Geschichte der Kaiser stellte er in der Einleitung in Aussicht. Doch wurde sie, bis auf einige Seiten, trotz aller Ermutigungen und Bitten nicht geschrieben.

Großes Aufsehen erregte es dann ein Jahrhundert später, als der Berliner Althistoriker Alexander Demandt und seine Frau Barbara diesen Torso nach Vorlesungsmitschriften aus den Jahren 1882/86 ergänzen konnten («Römische Kaisergeschichte», 1992, Verlag C.H. Beck, 49,90 Euro). Die beiden waren 1980 in einem Nürnberger Antiquariat auf die fast vollständig ausgearbeiteten Mitschriften gestoßen. Im gleichen Verlag veröffentlichte im vergangenen Jahr der Historiker Stefan Rebenich von der Universität Mannheim eine Mommsen- Biografie (26,90 Euro).