Neues Museum Gebrüder Grimm aus Hanau: Museum im Schloss Philippsruhe mit neuer Schau

Hanau - Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm kennt jedes Kind - davon kann man, mit Einschränkungen, hoffentlich auch bei der Generation Smartphone noch ausgehen.
Vielen Menschen sind die schaurig-rührenden Geschichten um Hänsel und Gretel, Rotkäppchen oder Schneewittchen ein fester Begriff, nur die Bibel ist auflagenstärker als der Dauerbrenner von Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859).
Wo wurden die Brüder Grimm geboren?
Im hessischen Hanau, wo die beiden Sprachforscher in eine sich in Jahresschritten vergrößernde Geschwisterschar geboren wurden, hat man jetzt „Grimms Märchenreich“ im Museum Schloss Philippsruhe eröffnet - den gelehrten Märchensammlern zur Ehre, den Kindern und ihren Eltern zur Freude.
Die Hanauer sind stolz auf ihre berühmten Söhne, deren weitere Lebensstationen unter anderem Kassel, Göttingen und Berlin waren. Dorthin hatte sie der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1840 geholt, dort sind sie auch gestorben. Ihre imposanten Grabsteine findet man unschwer auf dem Alten Matthäuskirchhof im Ortsteil Schöneberg, in Sichtweite der blumengeschmückten letzten Ruhestätte von Rio Reiser. Der Rockstar, der genau wusste, was er tun würde, wenn er König von Deutschland wäre: sich und anderen Gutes tun.
Wörterbuch ist ein Hit
In Berlin hat es an Berühmtheiten aller Coleur natürlich keinen Mangel, da gehen die Grimms inzwischen leider beinahe unter. Dabei sind sie die Gründervätern der modernen Germanistik und Philologie, ihr Deutsches Wörtbuch ist immer noch ein Hit. In Hanau, wo die Stars nicht so hageldicht niedergehen, hat man den Grimms schon 1896 ein Denkmal errichtet, nun gesellt sich das spielerisch zu erkundende Museum hinzu. Außerdem kommt dort auch Ludwig Emil Grimm (1790-1863) zu Ehren, der etwas weniger bekannt ist als seine älteren Brüder Jacob und Wilhelm, aber als Maler und Kupferstecher mehr als respektabel war.
Der neu eingerichtete Märchenparcours in einem Seitenflügel des Schlosses setzt die Schwelle nun bewusst ziemlich niedrig an - sowohl, was das Alter der Besucher, als auch deren Vorkenntnisse betrifft. Heutzutage wird man schließlich schon mit vier Jahren auf allen Kanälen unter dem Label Fantasy mit viel Märchenhaftem beglückt, die umfassende Vermarktung neuer medialer Helden auf Stickern, Trinkbechern, Kopfkissen oder als Plüschfigur kommt hinzu.
So wird man sich auch nur einen Moment lang wundern, wieso unter den scherenschnittartig angeordneten Märchenfiguren der Kopf des Einhorns herausschaut, das gerade noch auf der Höhe seiner Popularität ist. Aber, wenn man es genau nimmt: Im Märchen vom „tapferen Schneiderlein“ kommt, zumindest in der Langfassung, tatsächlich ein solches Fabelwesen vor.
Das Hanauer Kinderkomitee, das für die Gestaltung der Spielschau mit zuständig war und zur Eröffnung mit Marie-Luise Marjan, der Mutter der Nation aus der ARD-„Lindenstraße“, posierte, hat das Einhorn jedenfalls nicht irritiert, das sich so prominent ins Bild schiebt.
Das Museum für Kinder versucht, sein Publikum mit Ratespielen und durch Bewegung zu unterhalten und zu bilden. Wer zum Beispiel an einer Kletterwand, einem fiktiven Turm, empor steigt, um die dort inhaftierte, hübsche Prinzessin zu retten, wird im Erfolgsfalle mit einem schmatzenden Geräusch belohnt. Küssen ist nicht verboten hier. Lachen übrigens auch nicht.
Gut so. Wenn das alles den manchmal schon ziemlich hart verpackten Märchengeschichten der Grimms zum Weiterleben in den Herzen der Kinder verhelfen kann, soll man das Unterfangen getrost auch dafür loben.
Was dem Museum ebenfalls am Herzen liegt, ist eine der Haupt-Zulieferinnen der Märchen zu würdigen. Denn die Brüder Grimm haben die meisten der von ihnen bewahrten Erzählungen zwar bearbeitet, aber eben aus zweiter Hand bekommen, darunter von Marie Hassenpflug (1788-1856). Sie stammte aus einer in Hanau ansässigen Hugenotten-Familie, die wegen ihres protestantischen Glaubens in Frankreich verfolgt und in Hessen aufgenommen worden war.
Die Wege der Hassenpflugs und der Grimms haben sich vielfältig gekreuzt, zumal später in Kassel. Ein Bruder Maries, Ludwig Hassenpflug, hat Charlotte, die einzige Schwester der Grimms, geheiratet. Und auch wenn die liberalen Brüder Grimm mit dem stockkonservativen Schwager politisch partout nicht einig waren, so hat man familiär doch zusammengehalten.
Kriminelle Stiefmutter
Auf Marie Hassenpflugs Konto geht die Weitergabe zum Beispiel der Story vom „Rotkäppchen“, das sich besser vor dem Wolf in acht genommen hätte, der viele Menschen heute wieder so beunruhigt. Und auch die Geschichte über das Schneewittchen, jene von ihrer kriminellen Stiefmutter verfolgte Schönheit, soll Marie den Grimms erzählt haben.
Schöner Nebeneffekt: Sogar Kochrezepte gibt es zum Mitnehmen, darunter für ein Gericht, das auf dem „Tischlein deck dich“ gestanden haben könnte. Beim Lesen wird man sich fragen, wie ein ausgenommenes Huhn „dressiert“ wird. Das bedeutet nicht, dass das Tier in die Pfanne hüpfen soll. Wie denn auch? Vielmehr fesselt man ihm, des besseren Garens wegen, Beine und Flügel mit Zwirn an den Körper.
Histor. Museum Schloss Philippsruhe Hanau, Philippsruher Allee 45, Di-So 11-18 Uhr, Eintritt: Erw.4, erm. 3, Kinder (ab 6 Jahre) und Jugendl. 1 Euro (mz)

