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Friedrich Liechtenstein Friedrich Liechtenstein: Elektropop-Opa setzt auf Elektroklänge und flotte Beats

24.07.2014, 08:04
Supergeil: Friedrich Liechtenstein.
Supergeil: Friedrich Liechtenstein. Edeka Lizenz

Halle - "Supercrunchy, supertasty, supergeil". Mit einem drolligen Abzählreim für die Supermarktkette Edeka avancierte der vollbärtige Elektropop-Opa Friedrich Liechtenstein im Frühjahr zum weltweiten Internetphänomen. Jetzt hat der aus Eisenhüttenstadt stammende Puppenspieler sein neues Album vorgelegt. „Bad Gastein“ setzt auf Elektroklänge und flotte Beats, einen zweiten Hit wie „Supergeil“ aber hat es nicht zu beaten.

Der Meister schweigt im erstes Stück seines ersten richtigen Albums. Das heißt „Die Auffindung des Wildbades Gastein“ und lässt eine Damenstimme auf Italienisch Dinge erzählen, die niemand verstehen muss. Wichtig ist der Sound auf Friedrich Liechtensteins erstem Album nach seinem unerwarteten Sprung zum Weltstar mit dem Werbeclip. Und der Sound ist, wie er hier sein muss: Lässig zurückgelehnt, mal dumpf elektrisch, mal mit einem Diskochor angemacht, mal an französischen Chanson orientiert wie in „Belgique, Belgique“.

Stalinstadt hieß der Ort noch, als Hans-Holger Friedrich 1956 im heutigen Eisenhüttenstadt geboren wurde. Und Hans-Holger Friedrich hieß der inzwischen fast schon weltberühmte Künstler Friedrich Liechtenstein noch, als er vor 20 Jahren in Halle am Puppentheater tätig war.

Der Puppenspieler, der an der Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“ studiert hatte, hat zwischen 1991 und 1993 drei Stücke für das hiesige Ensemble geschrieben und sie in eigener Regie auf der Bühne gebracht, die damals noch im Mühlweg ihr Domizil hatte.

„Die kleine Frau - Eine Geschichte für den kleinen Mann im Bauch“, hieß das erste Stück, es folgten das Puppenstück „Die Reise zum Mittelpunkt der Welt“ und das Kindergartenprojekt „Suchen - Finden - Entdecken“.

Bevor Liechtenstein, der sich erst seit 2003 so nennt, zum Kultstar wurde, war er zeitweise einer von drei Intendanten des einstigen Berliner Hansa-Theaters - und neben vielem anderen auch noch „Reiseleiter“ in der „3Sat“-TV-Reihe „1-2-3-Istanbul“.

Liechtenstein, in Stalinstadt geboren, früher häufig in Halle zu Gast und seit einigen Jahren als selbsternannter „Schmuckeremit“ damit beschäftigt, einem großzügigen Mäzen zu zeigen, dass eine ganze Person Kunst und Installation sein kann, wenn die Bedingungen stimmen, setzt mit seiner Brummelstimme bei Titel zwei ein. Der heißt „Goldberg&Hirsch“ und hat genau diese beiden Worte als Text. „Cheap“ kommt noch dazu, es könnte aber auch „sheep“ heißen. Konsumanklage wie „Supergeil“?

Höherer Blödsinn ohne tiefere Botschaft? Friedrich Liechtenstein, der eigentlich Hans-Holger Friedrich heißt, muss in seiner Selbstinszenierung nichts bieten, um sein Soll zu bringen. Nachdem er seinen ersten Hit mit einer klinisch sauberen Tonfolge in C-Dur und einem überschaubar komplexen Text landete, ist er hier völlig frei in seiner Kunst. „Das Badeschloss“ sieht ihn in der Regie des Produzentenduos Heavylistening alias Carl Schilde und Anselm Venezian Nehls als Erzähler, der nichts zu sagen hat, unvermittelt aber beginnt, „es war einmal“ zu singen. „Wir sind nicht auf dieser Welt, um perfekt zu sein“, spricht es mit einer Stimme, die an Dieter Meier von Yello erinnert, weise und ein bisschen altklug. Die Violinen seufzen hier wie in einem Hollywood-Filmabspann, die Trommel darunter rollt allerdings wie bei der Parade auf dem Roten Platz.

„Made for the Future“ nennt sich Liechtenstein selbst, doch es ist eine Zukunft ohne Tanz und Tollerei. War seine EP „Terrestrische Wellen“ vor zehn Jahren noch eine Fingerübung in Sachen Text, der die Musik nicht beim Tanzen stören darf, so sind die zehn Songs von „Bad Gastein“ bis hin zum halb geraunten, halb gesungenen Cover von „Why do Birds“ von den Carpenters eine andere Hausnummer. Zwischen elegisch und energisch pflegt der Künstler sein Künstlertum, er ist Blixa Bargeld in sanft, Tom Waits in weich und Nick Cave ohne tote Frauen. Friedrich Liechtenstein hat sich von Ruhm und Erfolg nicht umwerfen lassen, er bleibt sich treu und supergeil, gerade weil er keinen Versuch unternimmt, es zu sein. (Steffen Könau/MZ)