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Frankreich-Bibliothek Frankreich-Bibliothek: Weltgrößter Bestand für Deutsch-Französisches

Von Ines Albiez 26.07.2004, 07:43
Die Historikerin Laetitia Harcour aus Paris entnimmt in der Bibliothek des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) in Ludwigsburg aus den Regalen ein Buch (Foto vom 26.05.2004). Die 23-Jährige recherchiert in der Bibliothek für ihre Doktorabeit zum Thema "Die mentale Vorstellung des europäischen Raumes bei den politischen deutschen und französischen Machthabern und ihre Wirkung auf die Konstruktion Europas (1950-2000). (Foto: dpa)
Die Historikerin Laetitia Harcour aus Paris entnimmt in der Bibliothek des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) in Ludwigsburg aus den Regalen ein Buch (Foto vom 26.05.2004). Die 23-Jährige recherchiert in der Bibliothek für ihre Doktorabeit zum Thema "Die mentale Vorstellung des europäischen Raumes bei den politischen deutschen und französischen Machthabern und ihre Wirkung auf die Konstruktion Europas (1950-2000). (Foto: dpa) dpa

Ludwigsburg/dpa. - Laetitia Harcour ist extra aus Paris auf dieandere Seite des Rheins gereist. Die 23-jährige Historikerinrecherchiert seit einigen Wochen für ihre Doktorarbeit inLudwigsburg. Dort hat sie in der Frankreich-Bibliothek des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) wahre Schätze entdeckt: «Hier finde ichalles: aktuelle Schriften, Bücher, Zeitungen - in Paris gibt es dasnicht in dieser Form», sagt Harcour. Kein Wunder: Die Bibliothekbeherbergt die weltweit größte Sammlung mit Dokumenten zu dendeutsch-französischen Beziehungen.

Die Präsenzbibliothek beherbergt rund 33 000 Bücher. Hinzu kommtdas Pressearchiv. Die Sammlung umfasst allein 500 000 Artikel aus derfranzösisch-, deutsch- und englischsprachigen Presse von den 70erJahren bis heute. Jährlich werden 16 000 weitere Texte dokumentiert.Besonders wertvoll ist zudem die so genannte graue Literatur:Verträge und offizielle Erklärungen, aber auch die vollständigeSammlung der Debatten im französischen Parlament (Assembleénationale) seit 1881, Magister- und Doktorarbeiten sowieunveröffentlichte Forschungspapiere.

«Unter graue Literatur fällt alles, was nicht ohne weiteres überden Buchhandel zu bekommen ist», erklärt Bibliotheks-Leiter SebastianNix. Die etwa zehn Mitarbeiter recherchieren schon mal einige Tage,um eine interessante Forschungsarbeit ins Haus zu bekommen. Nichteinmal in Frankreich gibt es eine vergleichbare Einrichtung, was dieAnfragen aus dem Ausland erklärt.

Fast 600 schriftliche und telefonische Anfragen erreichten dieBibliothekare und Sozialwissenschaftler im vergangenen Jahr, darunter15 Prozent aus dem Ausland. Am häufigsten wenden sich Studierende fürihre Diplom-, Magister- und Doktorarbeiten an die Bibliothek.Frankreich-Forscher, die nicht selbst nach Ludwigsburg kommen können,haben seit November 2003 per Fernleihe Zugriff auf den Bestand.

Knapp 58 000 Euro gab das DFI im vergangenen Jahr für Bücher undZeitschriften aus. Immerhin hat die Bibliothek mehr als 250Zeitschriften abonniert, darunter etwa 200 in französischer Sprache.Finanziert wird die Einrichtung vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Ludwigsburg sowie verschiedenen Stiftungen.

Pläne hat Nix noch viele: Ihm schwebt eine virtuelleFrankreichbibliothek vor mit einem elektronisch erfasstenPressearchiv. Zudem will die Ludwigsburger Bibliothek künftig mitanderen Einrichtungen eine Internetdatenbank mit Frankreich-bezogenenLinks anbieten. Ein weiteres aktuelles Projekt ist die Zusammenarbeitmit den rund zehn bilingualen Gymnasien in Baden-Württemberg. DieFrankreich-Bibliothek unterstützt die Lehrer mit Dossiers undKarikaturen für den Unterricht.

Seit mehr als 55 Jahren erforscht und dokumentiert das DFI nebenden deutsch-französischen Beziehungen auch deutsch-französischeVergleiche und das gegenwärtige Frankreich. 1948 gründeten CarloSchmidt, Theodor Heuss und Partner aus dem französischen Widerstanddas Deutsch-Französische Institut. Als Auftrag des Institutsformulierten sie die «Förderung der deutsch-französischenVerständigung auf allen Gebieten des geistigen und öffentlichenLebens». Ludwigsburg wurde nicht zufällig als Standort für diesesProjekt der Aussöhnung gewählt: Die Stadt vor den Toren Stuttgartslag in der amerikanischen Besatzungszone. Somit konnte das Institutohne Einfluss der französischen Besatzer seine Arbeit aufnehmen.

Heute gelten das «Frankreich-Observatorium» und seine 1990eröffnete Bibliothek als international anerkanntessozialwissenschaftliche Forschungs- und Dokumentationszentrum. «DieBibliothek ist dabei eine der beiden Herzkammern des Instituts», sagtDFI-Leiter Prof. Frank Baasner.

Nur wer Romane sucht, der wird enttäuscht. In den langenRegalreihen der wissenschaftlichen Bibliothek stehen weder MarcelProust noch Marguerite Duras. «Aber wir haben einige Reiseführer undRatgeber zum Beispiel für einen Au-pair-Aufenthalt in den Bestandaufgenommen», berichtet Nix. Auch sei jeder willkommen, der einfachnur in einer der französischen Zeitungen schmökern will.