Frankfurter Buchmesse Frankfurter Buchmesse: Günter Grass greift «Frankfurter Allgemeine Zeitung» an

Frankfurt/Main/dpa. - Das Blatt habe sich im Umgang mit seinen Jugend- undKriegserinnerungen nicht korrekt verhalten, sagte Grass am Freitagauf der Frankfurter Buchmesse. Über seinen Anwalt Prof. Paul Hertinließ der Schriftsteller am selben Tag am Berliner Landgericht einenAntrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen die FAZstellen. Dies teilte der Anwalt der dpa mit. Die FAZ wies dieVorwürfe zurück.
Grass wirft dem Blatt eine Verletzung des Urheberrechts vor. DieFAZ hatte Ende September zwei Briefe von Grass an den früherenWirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller aus den Jahren 1969 und1970 abgedruckt. Darin appellierte Grass an den SPD-Politiker, seineNS-Vergangenheit offen zu legen. Die von der FAZ abgedruckten Briefeseien «persönlich» gewesen und hätten nicht publiziert werden dürfen,sagte Grass in Frankfurt.
Die FAZ hatte eine von Grass geforderte Unterlassungserklärungnicht unterschrieben. «Das öffentliche Interesse an diesen Briefenist evident», sagte FAZ-Geschäftsführer Roland Gerschermann amFreitag der dpa. «Deshalb hat sich die FAZ für eine Veröffentlichungentschieden, zumal die Briefe in einer Dissertation zitiert werden.»Im übrigen seien sie nicht an den Privatmann Karl Schiller gegangen,sondern an seine Dienstadresse als Bundeswirtschaftsminister in Bonnadressiert gewesen. Es gehe hier, so Gerschermann, um dieGlaubwürdigkeit der öffentlichen Person Günter Grass, der die Debattedurch sein verspätetes Bekenntnis, Mitglied der Waffen-SS gewesen zusein, selbst ausgelöst habe.
Dagegen sieht Grass-Anwalt Hertin einen gravierenden Verstoß gegendas Urheberrecht. «Wenn das Schule macht, unveröffentlichte Briefeabzudrucken, dann müsste man allen Schriftstellern und sonstigenUrhebern sowie ihren Erben dringend empfehlen, unveröffentlichteKorrespondenzen umgehend aus allen Archiven abzuziehen.»
Grass' Steidl Verlag warf der FAZ außerdem sachliche Fehler inihrer Berichterstattung vor. Am 29. September heiße es, Grass habesich als 17-Jähriger freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Tatsächlichhabe Grass in einem FAZ-Interview gesagt: «Ich hatte mich freiwilliggemeldet, aber nicht zur Waffen-SS, sondern zu den U-Booten, wasgenauso verrückt war.» Schiller sei übrigens auch nicht der Taufpatevon Grass' Sohn Bruno gewesen, sondern lediglich Gast bei derTauffeier, hieß es in einer Steidl-Pressemitteilung.
Die FAZ «verhunze» die guten Sitten des Journalismus, sagte Grass.Sie trete als gutbürgerliches Blatt auf, greife jedoch zu Methoden,wie er sie nur von der «Bild»-Zeitung kenne. Er empfinde«Ohnmachtsgefühle» gegenüber der Medienmacht dieses Blattes, sagteder Schriftsteller in Frankfurt bei dem öffentlichen Interview mit«Zeit»-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo.
Die FAZ habe zudem aus Passagen seines Erinnerungsbuchs «BeimHäuten der Zwiebel» «wider bessere Kenntnis ein Bekenntnis gemacht».Dass er Mitglied der Waffen-SS gewesen sei habe er keineswegs der FAZgestanden, sagte Grass: «Das steht im Buch drin.» Trotz der Aufregungwürde er die Passage in seinem Buch heute noch genauso schreiben.«Ich würde mich aber nicht mehr mit der FAZ einlassen.»
Die FAZ hält die gesamte Aufregung für unangebracht. Dennschließlich habe Grass durch das von ihm redigierte Interview in derFAZ die Öffentlichkeit vor Erscheinen seines Buches über seineVergangenheit im Dritten Reich informieren wollen.