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Fotografin Eva Mahn Fotografin Eva Mahn: Die Entdeckung der Gefühle

Von Andreas Montag 20.06.2015, 10:14
Fruchtstrotzender Urwald
Fruchtstrotzender Urwald Eva Mahn Lizenz

Halle (Saale) - Inszenierungen haben sie immer interessiert, Gegensätze sowieso, die oft ja auch Kontinuitäten beschreiben: Alte und junge Menschen hat Eva Mahn fotografiert, Familien und immer wieder Frauen. Das ist wenig erstaunlich, schließlich ist die Künstlerin eine selbstbewusste Frau und Mutter - fortgesetzt neugierig darauf, das Geheimnis des Lebens aus ihrer Sicht beschreiben zu können.

Der Band, den Eva Mahn jetzt im halleschen Hasenverlag vorgelegt hat, setzt diese Suche konsequent fort, mit staunenswerten Ergebnissen, die freilich auch provozierend wirken können. Das ist durchaus so gewollt, um einen niedrigeren Preis war die Recherche nicht zu haben. Auf der Ebene des Lauen, Gefälligen, nur Dekorativen will Eva Mahn sich nicht einrichten, damit würde sie ihr Anliegen, die Frauen, mit denen sie gearbeitet hat und sich selbst verraten.

Es habe auch zurückhaltende Reaktionen gegeben, sagt die Fotografin. Das soll heißen, Menschen haben sich befremdet gezeigt angesichts der Intimität ihrer neuen Bilder. Aber wann wären Eva Mahns Arbeiten nicht persönlich im besten Sinne gewesen? Sie stellen Belege des Vertrauens dar, das zwischen den Akteuren beidseits der Kamera herrschen muss, soll sich das Eigentliche, das Menschliche dem Betrachter mitteilen.

Es sind im Übrigen beileibe nicht nur Aktbilder, aber sämtlich Porträts überwiegend nicht mehr junger Frauen in dem Band vereint. Was er indes offenlegt, woran er teilhaben lässt, ist die Entdeckung der Gefühle, des Ganzheitlichen auch und die Einladung zum Gespräch über das Natürliche - klug komponiert mit Aufnahmen aus fruchtstrotzenden Urwäldern und Zeugnissen fremder Totenkulte.

Unheimlich oder peinlich ist daran nichts, es sei denn, man fühlte sich selbst mit Fragen konfrontiert, die ein ungeschriebener Kodex zu stellen verbietet. Dabei geht Eva Mahn zwar bewusst über jene Grenzen, hinter denen nicht mehr geredet, sondern nur noch geraunt wird  - aber sie verletzt niemals die Grenzen des Respekts. Andernfalls wären ihre Modelle, die erst Partnerinnen bei der Arbeit, schließlich Freundinnen geworden sind während des gemeinsamen Projekts, beizeiten davongelaufen.

Die Idee, Frauen für diese ungewöhnliche Selbstdarstellung zu gewinnen, hat Eva Mahn gemeinsam mit Kornelia Werner entwickelt, die als Coach ein Training für Frauen und Paare anbietet. Sie hat die Modelle über ihr Netzwerk zur Mitwirkung eingeladen.

Um Frauen unter sich sollte es gehen - in einer Art Serail, einem privaten Rückzugsraum, allein oder auch in Gruppen agierend nach frei gebautem, sich aus der Begegnung mit sich selbst und anderen entstehendem Plan. Also das, was man heutzutage „Work in Progress“ nennt.

Das Ergebnis ist nicht anders als großartig zu nennen. Am Set waren lediglich die Frauen und die Fotografin zugelassen, um die technischen Dinge einschließlich der bereitgestellten Kleider kümmerte sich eine Assistentin. „Alle vertrugen sich prächtig“, sagt Eva Mahn, „nur ein Mann darf nicht auftauchen in einer solchen Situation, dann wird alles anders“. Aber das war in dieser Versuchsanordnung ja ausgeschlossen.

Natürlich sind Männer trotzdem dabei, die Frauen tragen sie in ihren Leben ja mit sich. Hier aber sollten sie Zeit und Ruhe haben, sich selbst zu sehen, zu spüren. „Frauen kennen ihre Schmerzpunkte“, stellt Eva Mahn fest, es geht dabei auch darum: Bin ich schön? Bin ich zu dick? Das Älterwerden spielte eine Rolle - und wie sich Frauen in oder nach den Wechseljahren fühlen. Das Thema Loslassen ist wichtig gewesen, von dem Frauen früher und anders als Männer erfahren: Kinder, die sie geboren haben, gehen aus dem Haus, Partnerschaften lösen sich, auch der Tod gehört in diesen Graubereich dessen, das vielen unaussprechlich erscheint.

Sämtlich privateste Dinge, die man nicht ohne Weiteres öffentlich macht, die jede der Frauen unterschiedlich betreffen und mitgespielt werden in den Posen, die sie für sich vor der Kamera gefunden haben. Hier hat die Fotografie geholfen, eine eigene Sprache zu finden, die ohne Worte auskommt und trotzdem (oder gerade deshalb) von großer Eindringlichkeit ist.

Die Bilder offenbaren ein ganzes Spektrum großer, vielleicht so von den Protagonistinnen selbst noch nicht erfahrener oder uneingestandener Emotionen. Ganz und gar befreit und schamlos im guten Sinne haben die Frauen, bekleidet oder nackt, zu Ausdrucksformen gefunden, die einem nahe gehen.

Lebenserfahrung, Stolz und Nachdenklichkeit treten zu Tage, Zweifel auch, Scheu und Zurückhaltung. Am wunderbarsten aber ist der überwältigende Humor, der aus einigen der Szenen spricht. Ein Buch für Frauen, das man auch Männern ans Herz legen kann. (mz)

Eva Mahn: „Paradies: Rot“, Hasenverlag Halle, 136 S., 73 farb. Abb., mit Texten von Rüdiger Giebler, Uta Kolano, Eva Mahn und Fritz Franz Vogel; bis zum 30. August 24,99, danach 29,99 Euro.

Der Buchtitel von „Paradies: Rot“
Der Buchtitel von „Paradies: Rot“
Eva Mahn Lizenz