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Finsterling im dunklen Märchenwald Finsterling im dunklen Märchenwald: Rammstein-Sänger Till Lindemann auf Solo-Pfaden

Von Steffen Könau 22.11.2019, 09:00
Till Lindemann (l.) und sein Bandkollege Peter Tägtgren. 
Till Lindemann (l.) und sein Bandkollege Peter Tägtgren.  dpa

Halle (Saale) - Eine Ruine, das Dach löchrig, der Boden überschwemmt. Ein Mann im hellblauen Anzug, das Haar strähnig, mit einer dicken Kette um den Hals. Eine Gitarre spielt, die nach Lagerfeuer klingt. „Ich mag die Sonne, die Palmen und das Meer“, singt Till Lindemann, während er durchs Wasser watet, „ich mag den Himmel, schau’ den Wolken hinterher.“

Rammstein als Johnny Cash-Erben? Die weiche Seite von Deutschlands härtester Band? Nein, der Sänger der erfolgreichsten Kapelle des Landes pflegt sein Hobby: Gemeinsam mit dem schwedischen Heavy-Metal-Musiker und Produzenten Peter Tägtgren (Pain) hat Till Lindemann „Lindemann“ wiederbelebt, die Zwei-Mann-Combo, für deren Debütalbum „Skills in Pills“ er vor vier Jahren zum ersten Mal alle Songs komplett in Englisch gesungen hatte.

Der Nachfolger, sperrig „F&M“ genannt, was wohl auf das enthaltene Stück „Frau & Mann“ hinweist, ist nun wieder ganz in Lindemann-Deutsch gehalten. Ursprünglich als Auftragsarbeit für ein Theaterstück nach dem Märchen „Hänsel & Gretel“ entstanden, entwickeln die elf Songs auch abseits der Bühne und aller Rammstein-Zitate einen eigenen Charme.

Die beiden musizierenden Freunde, die sich Mitte der 90er Jahre in einer schwedischen Kleinstadtkneipe kennenlernten, als ein paar Biker von Tägtgren davon abgehalten werden mussten, Lindemann und seinen Rammstein-Kollegen Flake Lorenz zu verprügeln, klingen hier leichter, es gibt mehr Keyboards und Chöre, mehr „Engel“ und „Ohne Dich“ als „Feuer frei“ und „Du hast“. Das Stück „Knebel“ ist bis zum donnernden Finale wirklich ein Countrysong und bei „Achso gern“ singt Till Lindemann seinen ersten Tango.

Doch selbstverständlich kann Till Lindemann nicht aus seiner Haut als düsterer Poet des Morbiden. Auch auf Wandertour durch den Märchenwald pflegt der 56-Jährige sein Faible für Tabubrüche und sexuelle Anspielungen. Vorgetragen mit dem patentierten Lindemann-Tenor samt rollendem R, werden Songs wie „Blut“ oder „Allesfresser“ zu Stücken, die Rammstein bei ihrer Stadion-Tour im nächsten Jahr spielen könnten, ohne Pfiffe zu riskieren.  (mz)