Filmtipp Filmtipp: «Das wilde Leben»

München/dpa. - «Dieser ewige Totensonntag», jammert sie,gefangen zwischen angegrauten Gardinen und düsteren Wohnzimmermöbeln.Und so gibt es für sie nur einen Weg: raus in die weite Welt. «Dasging nur über einen Mann, je wilder, desto besser», erkennt sieschnell und so fängt ihre beispiellose Karriere an. Von der hübschenFotoretuscheurin zum Topmodel, zur Gespielin der Rolling Stones undzum Sexsymbol der wilden 60er Jahre. Wie es dazu kam, ist ab 1.Februar im Film «Das wilde Leben» nach der Autobiografie Obermaierszu sehen, der allerdings eher bieder geraten ist - was sich mit derwahren Geschichte seiner rebellischen Hauptfigur nur schwervereinbaren lässt.
In wunderschönen Bildern schildert das Kinodebüt von RegisseurAchim Bornhak mit TV-Serienschauspielerin Natalia Avelon(«Marienhof») und Matthias Schweighöfer («Kammerflimmern») in denHauptrollen, wie sich die selbstbewusste Frau gegen den prüdenZeitgeist auflehnt und mit starkem Willen durchboxt. Avelon hat dabeidas lebende Vorbild gut verinnerlicht: Nicht nur vom Aussehen könnteman beide für Schwestern halten. Sogar Obermaiers bayerischen Akzenteignete sich die 26-Jährige an, nachdem sie das einstige Topmodel inKalifornien besucht und genau studiert hatte. Ihr beim Schauspielernzuzusehen, macht Spaß, da sie unbefangen und ohne Scheu an die Sacheherangeht. Auch die Nacktszenen waren kein Problem für sie. «Ichwusste ja, dass es ein freier, wilder Film sein wird im Sinne vonfreizügig, aber sehr natürlich und ästhetisch».
Um so enttäuschender ist es, dass das spannende Leben Obermaiersvon der sexuellen Revolution bis hin zum exzessiven Partyleben mitMick Jagger und Keith Richards wie weich gezeichnet wirkt und zurnetten Liebesgeschichte verkommt, passend gemacht für einen breitenPublikumsgeschmack. Obermaiers Heroinsucht und ihr Absturz mit demHamburger Kiez-Granden Dieter Bockhorn werden nur angedeutet -immerhin ist der Film ab zwölf Jahren freigegeben, was Obermaierentsetzt. «Ich finde, mein Leben ist nicht jugendfrei, wenn dasrichtig gebracht wird. Ich steh' dazu und ich finde, das ist auch daseinzig interessante: Wenn man ehrlich ist, als wenn alles so glattgebürstelt wird.»
Zu den schwächsten Figuren zählt Rainer Langhans. Schweighöfer mitgroßer Lockenperücke lässt ihn wie eine Figur ohne Biss und vor allemohne Sexappeal wirken. Dass er Obermaier fasziniert und in die freieLiebe eingeführt haben soll, bleibt unverständlich. Auch den wahrenLanghans stört das Bild, das der Film vom «schönsten Paar der APO» indie Welt setzt. In Interviews beschwerte er sich, dass er alsverklemmter Typ dargestellt werde. Er habe es ganz anders erlebt,bekannte er jüngst in der «Süddeutschen Zeitung». «Wenn ich ihreBiografie lese und den Film sehe, muss ich mich fragen, ob das allesmeine Einbildung war.»
Sehenswert ist der Film wegen der Bilder von Kameramann BenjaminDernbecher. Prachtvoll ist etwa die indische Märchenhochzeit, dieeine Maharani für Bockhorn und Obermaier ausrichtete, als die beidenjahrelang mit einem Hippie-Bus durch Asien und Amerika tourten.Obermaier schwärmt: «Dieses Gefühl der Zeit, das Bunte, das istziemlich gut rübergekommen.»