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"Toni Erdmann" von Maren Ades Filmkritik zu "Toni Erdmann" von Maren Ades: Ein deutscher Film den man sehen muss

Von Dirk Lüneberg 14.07.2016, 15:23
Ines (Sandra Hüller) in „Toni Erdmann“
Ines (Sandra Hüller) in „Toni Erdmann“ Komplizen Film/NFP

Halle (Saale) - Von dem US-amerikanischen Autor James Thurber stammt das Zitat „Komik ist Tragik in Spiegelschrift“. Maren Ade, die vor sieben Jahren mit dem Beziehungsdrama „Alle anderen“ den Großen Preis der Jury auf der Berlinale gewann, hat mit ihrem neuen Werk nun eine nahezu perfekte filmische Adaption dieses Satzes abgeliefert.

Darin lässt sie mit Vater und Tochter zwei Figuren aufeinander treffen, die naturgemäß eng miteinander verbunden sind, sich jedoch mittlerweile weit voneinander entfernt haben. Ines (Sandra Hüller) hat als Unternehmensberaterin Karriere gemacht und arbeitet in Bukarest. Nach der Trennung von Ines’ Mutter lebt Vater Winfried (Peter Simonischek) allein und hat sich als Schutzschild einen etwas kruden Humor zugelegt, der viele eher verschreckt als amüsiert. Die beiden könnten unterschiedlicher kaum sein.

Knallharte Geschäftsfrau gegen lässige Alt-68er-Attitüde

Während die Tochter Firmen auch auf Kosten der Mitarbeiter knallhart auf Effizienz trimmt, wurschtelt sich der Vater mit seiner lässigen Alt-68er-Attitüde durch seinen Lebensabend. Nach dem Tod seines geliebten Hundes beschließt der pensionierte Musiklehrer, seine Tochter in Rumänien zu besuchen. Dies geht natürlich nicht lange gut und so reist er bald wieder ab. Jedoch nur, um kurz darauf als Toni Erdmann zurückzukehren und das Leben seiner Tochter kräftig aufzumischen.

Weltpremiere feierte die deutsche Produktion im Wettbewerb der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes. Zwar gewann sie am Ende keine Preise, erntete jedoch einhelliges Lob der nationalen, vor allem aber auch der internationalen Presse. Und dies völlig zu Recht. Über eine Laufzeit von mehr als zweieinhalb Stunden schafft es Drehbuchautorin und Regisseurin Maren Ade den Zuschauer bestens bei Laune zu halten.

Zwei erstklassige Hauptdarsteller

Hier stimmt schlichtweg alles: Großartige, nie holzschnittartig wirkende Figuren, die in Szenen auftreten, in denen sich Witz und Absurdität auf geniale Weise die Waage halten und lange in Erinnerung bleiben. Dazu kommen zwei erstklassige Hauptdarsteller: Sandra Hüller spielt die spröde wirkende Ines, die stets ein wenig verzweifelt versucht, sich in ihrem von Männern dominierten Berufsumfeld zu behaupten, mit kompromissloser Hingabe. Und Peter Simonischek gelingt es grandios, dem ewigen Spaßmacher mit dem Hang zur Peinlichkeit als vermeintlich lächerlicher Figur trotzdem den nötigen Ernst zu verpassen.

Die Regisseurin weiß ganz genau, was sie will und ist in der Lage, tiefe Wahrhaftigkeit mit subtilem Humor zu kombinieren. So scheint im oft tragischen Miteinander der beiden Charaktere zugleich immer das Komische der jeweiligen Situation durch.

Diese Tragikomödie bietet so viel Kreativität, die man dem oft zu biederen Werken heimischer Produktion häufiger wünscht. Endlich mal ein deutscher Film, den man gesehen haben muss! (mz)