1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Film: Film: Europas ältestes Autokino in Gravenbruch wird 50

Film Film: Europas ältestes Autokino in Gravenbruch wird 50

Von Stefan Höhle 12.04.2010, 09:27

Neu-Isenburg/ddp. - Sebastian Münz aus dem südhessischen Dieburgparkt im Autokino Gravenbruch an gleicher Stelle wie einst seinVater. Mitten auf dem Platz, direkt neben dem Häuschen, aus dem dieProjektoren rechtwinklig auf zwei Leinwände abstrahlen. «Hier störtkein Nebenlicht», sagt der 29- Jährige. In Gravenbruch im Stadtwaldsüdlich von Frankfurt am Main misst die größere der beiden Leinwände36 mal 15 Meter. Auf ihr sahen bereits 1960 motorisierte Cineasten«Ben Hur», denn das Autokino Gravenbruch ist mittlerweile 50 Jahrealt und damit das älteste Drive-in-Lichtspiel Europas.

«Ich gehe nicht mehr in andere Kinos», berichtet Münz, derzusammen mit seiner Freundin da ist. «Wir bringen unsere eigene Logemit, in der keiner stört.» Als gelernter Tankwart putzt der Dieburgernoch einmal professionell die Windschutzscheibe, dann setzt er sichneben die gigantische Popcorntüte, die zwischen den beiden aufgebautist. «Und rascheln können wir, so viel wir wollen.» Gleich, wenn esganz dunkel ist, wird auf der Großbildleinwand der «Kampf derTitanen» toben.

Anders als in einem Multiplex-Palast müssen die Besucher desFreiluft-Filmtheaters bei diesem Film auf das 3D-Vergnügenverzichten. «Wir sind so etwas wie Dinosaurier», sagt Walter Jann,dessen Starnberger Drive in-GmbH von den kaum noch zehn verbliebenenAutokinos in Deutschland fünf betreibt. Immerhin kann Jann fast alleseine Filme inzwischen als «Bundesstart» aufs Programm setzen. Früherwaren die Verleiher da zögerlicher.

Denn Autokinos galten einst als anrüchig. Deshalb wurden siebesonders von jungen Besuchern umso mehr geliebt. Wo es raschelndarf, lässt es sich auch ungestört kuscheln. Seit Aufkommen derAutokinos in den USA in den 1930er Jahren war die hintere Wagenreihe,die «Love Lane», der Schrecken vieler Eltern. Mancher Familienvaterversuchte zwischen den Autos, sich mit der Taschenlampe ein Bild vonder Sittsamkeit seiner Tochter zu verschaffen. Schließlich wusstendie Väter meist am besten, dass sich im Autokino Liebesszenen nichtnur auf der Leinwand abspielen.

«Daran hat sich nichts geändert», sagt Helga Lehne. Die 68-Jährigemuss es wissen, denn sie arbeitet seit 42 Jahren als Angestellte inGravenbruch. «Viele kamen damals schon wegen unserer Bar, die warschick, amerikanisch.» Folglich gab es dort auch Hamburger, eineSeltenheit seinerzeit, und nicht nur die früher rund um Frankfurtnoch zahlreichen GIs strömten in den Wald bei Neu-Isenburg. «Wirbeschäftigten über ein Dutzend junger Männer, die ihr Wägelchen durchdie Reihen schoben und unsere Burger verkauften», erinnert sich HelgaLehne. Die Grillsauce «Spezial» sei bis heute für Autokinofans einGrund anzureisen.

«Wir hatten einen Stammgast, der kam stets mit seinem Traktor ausAschaffenburg», erzählt die 68-Jährige. Der Mann fuhr 35 Kilometerüber Landstraßen, auf dem Hänger Sofa, Sessel und seine Freunde. «Derkam jede Woche, aber jetzt geht so etwas nicht mehr.» Die Polizeiwürde das rollende Wohnzimmer samt Gästen sicherlich anhalten.

Der harte Kern der Freiluft-Cineasten ist der Großbildleinwand imKiefernwald dennoch treu geblieben und empfängt heute die Tonspurübers Autoradio, die Frequenz erfährt der Besucher beim Einlass.Längst hat sich auch die Stadt Neu-Isenburg, wozu Gravenbruch gehört,mit dem Geschehen auf der Waldlichtung angefreundet und zeigt abDienstag (17.00 Uhr) im Stadtarchiv die Ausstellung «50 JahreAutokino Gravenbruch».

Mit rund 100 000 Besuchern im Jahr sei Europas ältestes Autokinoauch das beliebteste, versichert der Betreiber, der Dokumente undGerätschaften zur Schau beigesteuert hat. Die Sommerzeit hat denSpielbetrieb am Wochenende fast bis in den Morgen verlängert, denndann werden zwei Filme hintereinander gezeigt. «Manchmal dämmert esschon, wenn ich gehe», erzählt Helga Lehne, «und ich muss einigeBesucher wecken». Sie klopft dann leise an die Scheibe, weil dasPärchen schlummert. Steht der Wagen in der «Love Lane», muss dasnicht am Film gelegen haben.