Film Film: Egon Günther arbeitet lustvoll am neuen Drehbuch

Berlin/dpa. - Als anspruchsvoller Avantgardist hat RegisseurEgon Günther dem ostdeutschen Film zu internationalem Ansehenverholfen. Inzwischen ist Günther, der morgen, 30. März, 80 Jahrewird, die Anerkennung sicher. Das war zu DDR-Zeiten ganz anders. DerRegisseur gehörte zu den von der SED-Kulturbürokratie wiederholtGescholtenen und wurde mit Verboten abgestraft. Ende der 70er Jahre
folgte er schließlich einem Angebot in den Westen. Obwohl auch dortdurchaus erfolgreich, kehrte er nach dem Mauerfall wieder in seinealte Heimat nach Groß-Glienicke bei Berlin zurück. Seine deutsch-deutschen Erlebnisse und Erfahrungen sind Teil der von ihm geplantenAutobiografie. Eine «große Ansammlung von ausgeführten Kapiteln»liege schon vor, sagte Günther im dpa-Gespräch.
Wenn sich der «Blick auf die Zeit» über die Jahre mitunter auchverändern könne, eines bleibt für Günther trotz aller Querelenunumstritten - das ostdeutsche Filmstudio Defa sei seine «Nährmutter,mein Leben, wirklich meine Heimat gewesen», sagt er. Für den Film«Stein», ein melancholischer Abschied von der DDR nicht ohneindividuelle Einlassungen, arbeitete Günther 1990 noch einmal bei derDefa, die kurz danach nicht mehr existierte. Mehr als 30 in Ost undWest gedrehte Streifen für Kino und Fernsehen umfasst seinLebenswerk.
Sein Nietzsche-Projekt als gewissermaßen krönenden Regie-Abschlusshat Günther nicht umsetzen können. Nach zehn Jahren intensiverBeschäftigung mit dem Philosophen, einem fertigen Drehbuch und einemEssay, hat er aufgegeben. Die Geldmittel für die Umsetzung fehlten.Günther, für den das Schreiben eine ebenso lustvolle Arbeit wie dasFilmemachen ist, sitzt zurzeit auch an einem neuen Drehbuch. Der inMecklenburg-Vorpommern angesiedelte Gegenwartsfilm zwischen Realitätund Erfindung sei weder eine «Aufrechnung, noch todernst», mehr willer nicht verraten.
Bei seiner letzten Regiearbeit, dem Fernsehfilm «Die Braut» (1999)mit Veronica Ferres als Goethe-Geliebte und spätere EhefrauChristiane Vulpius, bewegte sich Günther auf vertrautem Parkett. 25Jahre zuvor hatte er für seinen ersten Goethe-Film «Lotte in Weimar»sogar Lilli Palmer in den Osten vor die Kamera locken können. Mitinsgesamt sechs Goethe-Filmen avancierte er über die Jahre zumanerkannten Kenner des Weimarer Klassikers.
Günther wurde in Schneeberg im Erzgebirge geboren. ImSchnellverfahren hatte das «förderungswürdige» Arbeiterkind, wie esim Osten hieß, in den ersten Nachkriegsjahren an der LeipzigerUniversität Pädagogik, Germanistik und Philosophie studiert. Im Defa-Studio in Potsdam-Babelsberg arbeitete er sich vom Dramaturgen undDrehbuchautor zum humorvoll-ironischen Autorenfilmer hoch. War seinRegiedebüt «Lots Weib» (1964) gerade noch durchgekommen, stand dieMärchenkomödie gegen Lüge und Heuchelei «Wenn du groß bist, lieberAdam» 1965 nach dem berüchtigten 11. Plenum des SED-Zentralkomiteesauf die Liste der Verbotsfilme. Nach der eigenwilligen Verfilmung vonJohannes R. Bechers Roman «Abschied» (1968) wurde Günther«Modernismus» vorgeworfen.
Zum Publikumsrenner wurde «Der Dritte» (1971) über dieEmanzipationsversuche einer jungen Frau in einer Männergesellschaftmit seiner Lieblingsschauspielerin Jutta Hoffmann. Weil der Film «DieSchlüssel» (1972), eine tragisch endende deutsch-polnischeLiebesgeschichte, angeblich Gefühle im Nachbarland verletzte, erhieltdieser «Exportverbot». Auch wenn Günther auf historische Stoffeauswich, waren Seitenhiebe auf die real-sozialistische Gesellschaftnicht zu übersehen. Seinen Einstand im Westen feierte er schließlichmit dem Fernseh-Siebenteiler «Exil» (1979) nach dem Roman von LionFeuchtwanger.