Fiesta ohne Hossa Fiesta ohne Hossa: Berliner Ausstellung zeigt Schätze der Maya-Kultur

Berlin - Unsere Bilder fremder Kulturen sind oft erschütternd eindimensional. Daran hat auch die großartige Chance, mit Hilfe des Internets schlauer zu werden, nicht viel geändert. Afrika ist in den Augen vieler ein dunkler Kontinent, der von Gewalt, Seuchen, Hunger und Unbildung beherrscht wird. Die Nachrichtenbilder tun ein Übriges. Da fühlt sich der Mitteleuropäer gleich ein bisschen erhoben - und wäre man auch selber nicht das hellste Licht.
Nicht wesentlich anders verhält es sich mit Mexiko. Die Frohnaturen älterer Jahrgänge erinnern sich bei diesem Land, das korrekt Vereinigte Mexikanische Staaten heißt, unweigerlich an den Schenkelklopfer des längst verstorbenen Schlagersängers Rex Gildo, der 1972 mit lauten „Hossa, Hossa!“-Rufen zur „Fiesta Mexicana“ bat. Aus jüngerer Vergangenheit haben wir das Massaker an protestierenden Studenten in Erinnerung, das von einem kriminellen Kartell aus Gangstern, Polizisten und Lokalpolitikern geplant und grausam durchgeführt worden ist.
Die Politiker Mexikos versuchen unterdessen, diesem Image, das von Kriminalität, Drogenhandel, Prostitution und Armut geprägt wird, den kulturellen Reichtum ihres Landes entgegenzusetzen. 2016 veranstalten Mexiko und die Bundesrepublik Deutschland deshalb ein gemeinsames Kulturjahr, als dessen Höhepunkt man wohl die soeben eröffnete Ausstellung „Die Maya - Sprache der Schönheit“ im Berliner Martin-Gropius-Bau ansehen kann. Die Schau, eine Fiesta der anderen Art, wird von den Berliner Festspielen veranstaltet und soll bis zum 7. August den deutschen wie ausländischen Besuchern des Hauses unweit des Potsdamer Platzes wenigstens eine Ahnung vom Volk der Maya vermitteln.
Deren Kultur zählt zu den ältesten und faszinierendsten der Welt und wird auch heute noch gelebt. Rund sechs Millionen Maya sind in Mexiko sowie in Belize, Guatemala, Honduras und in El Salvador beheimatet, christliche Einflüsse mischen sich in ihrem Alltag mit den Traditionen und kultischen Überlieferungen ihres Volkes.
Dem wird die Ausstellung in ihrem Rahmenprogramm Rechnung tragen, zum Beispiel am 19. Mai mit der Aufführung des Dokumentarfilmes „Herz des Himmels, Herz der Erde“, für den Frauke Sandig und Eric Black junge Maya über ihre Mythen, ihr Leben und den Kampf für die Bewahrung ihrer Kultur befragt haben.
Die Schau selber bezieht sich mit 300 exquisiten Objekten ausschließlich auf die Hochzeit der Maya-Kultur, die mit der Eroberung des Landes durch die Spanier und die gewaltsame Christianisierung zwar nicht ausgelöscht, doch an den Rand gedrängt wurde.
Auf den ersten Blick vermitteln die in mattem Licht präsentierten Schätze, steinerne und tönerne Zeugnisse einer uns völlig fremden Welt, einen sakralen Eindruck. Es ist, als sei man zu einem Gottesdienst gebeten, dessen Regeln man nicht kennt und der in einer Sprache gefeiert wird, die einem unbekannt ist - der aber doch deutlich das Gefühl des Besonderen, des Spirituellen, vermittelt.
Die Botschaft des Lebendigen, der Sinnlichkeit erschließt sich erst im zweiten Zufassen, auch wenn man die beiden herausragenden Botschaften der Leiblichkeit ob ihrer Größe und exponierten Platzierung rasch entdeckt haben wird. Aber es sind eben nur zwei, die sich obendrein wesentlich, nicht nur der Natur ihrer Gegenstände entsprechend voneinander unterscheiden.
Der Torso einer Schwangeren, deren Leib sich unter großen Brüsten aufwölbt, ist so realistisch, als wäre Georg Kolbe oder ein anderer Europäer des 20. Jahrhunderts der Urheber. Das kostbare Werk, geformt aus Stuck, stammt aus der Postklassik der Maya-Kunst, die von 900 bis 1550 nach Christus datiert wird - und es feiert das Leben, wie man das Leben nur feiern kann: Mit der Plastik einer Frau, die ein Kind gebären wird.
Ganz anders verhält es sich mit den zweiten, im wahrstens Sinne des Wortes herausragenden Beispiel der Sinnlichkeit. Gemeint ist ein riesiger, detailfreudig gearbeiteter, praller Phallus, der das pure Symbol männlicher Kraft ist, die den Vorstellungen der Maya zufolge wie alles von den Göttern verliehen wird - aber eben auch entzogen werden kann.
Womit der übergroße Teil der Schau thematisch auch schon umrissen wäre: Es geht darum, das komplizierte Geflecht der Götterwelt und der daraus folgenden Machtgebilde und Abhängigkeiten für die Menschen zu erhellen, nicht zuletzt aber auch die damit verwobenen Strukturen von Macht und Unterwerfung.
Einen besonderen Stellenwert in alledem hat die Körperlichkeit, deren Inszenierung in Riten und Bräuchen ihren alltäglichen wie auch künstlerischen Ausdruck fand, dabei aber stets zugleich dem Glauben, nicht allein der Schönheit um ihrer selbst willen huldigte. Fantastische Weihrauchgefäße, die mannigfachen, überhöhten Darstellungen von Menschen und Tieren, Herrschern und ihrem Schmuck, aber auch Opferszenen gewähren einen Blick in eine komplexe, bisweilen auch verstörende Hochkultur. Das Bildnis eines Liegenden steht dafür, dem eben das Herz aus dem Leib gerissen worden ist als Zeichen des Triumphes über den Besiegten. Das Verzehren des rohen, blutenden Fleisches soll, so liest man in der Ausstellung über den Glauben der Maya, dem Stärkeren noch einmal mehr an Kraft übertragen haben.
Die Wirkung der Schau im Gropius-Bau mag von ähnlich starker, wenngleich weniger dramatischer Wirkung sein: Sie regt die Fantasie an, macht neugierig auf weitere Erkundungen. Und hinterlässt auch eine Portion gehöriger Demut.
Martin-Gropius-Bau Berlin, Niederkirchnerstraße 7, bis zum 7. August, Mi-Mo 10-19 Uhr; Eintritt 10, erm. 7 Euro, bis 16 Jahre frei; Katalog 29 Euro