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Festival «Theater der Welt» Festival «Theater der Welt»: Im Haus der tausend Dinge

Von Andreas Hillger 01.04.2008, 17:37

Halle/MZ. - Immerhin sind die kreativen Köpfe des Ensembles "Nico and the Navigators" seit Jahren darauf spezialisiert, die Welt der Dinge auf ihren zweiten, verborgenen Zweck zu untersuchen und menschliche Körper in tragikomische Kollisionen mit ihrer Umwelt zu treiben.

Auf diese Weise sind am Dessauer Bauhaus und in den Berliner Sophiensaelen wunderbare Stücke wie "Eggs on Earth" und "Lilli in Putgarden", "Der Familienrat" und "Wo du nicht bist" entstanden - verstörende und erheiternde Abende an der Schnittstelle von Tanz- und Sprech-, Musik- und Bildertheater, denen der oft unterstellte Dadaismus freilich fehlt. Im Gegenteil - sie sind ja als Sinnsucher im Nonsens unterwegs. Nicht auszudenken also, welche Geschichten das Duo im zehnten Jahr seiner Zusammenarbeit den Kunstobjekten und Naturalien des August Hermann Francke entlocken könnte.

Wundern und Staunen

Aber so einfach ist es eben nicht - weswegen sich Nicola Hümpel inzwischen gegen die allzu naive Überzuckerung ihres Projekts "Dinge der Welt" wehrt. Sentimental besetzte Begriffe wie "Staunen" und "Wundern" will sie für ihren Beitrag zum Festival "Theater der Welt" nicht verwenden.

Sie werden ohnehin auftauchen, wenn sich Mitte Juni die Türen zu der Installation öffnen, die Hümpel und Proske als Gegenpol zu der anschaulich belehrenden Kollektion des halleschen Pietismus inszenieren. Das Konzept für die Jahresausstellung, die das dreiwöchige Festival um Monate überdauern soll, ist schlicht und einfach schön: Jeder der 500 Künstler, die zu "Theater der Welt" nach Halle kommen, soll neben seinem Foto Gastgeschenke schicken - Dinge, die in seinem Leben eine erstaunliche Rolle gespielt haben oder von seiner Heimat erzählen.

So, wie Francke einst Material von seinen Missionaren sammelte, packen Nicola Hümpel und Oliver Proske die Dinge aus - und müssen eine Ordnung für ihr Archiv des Zufalls finden. Dass dies ein Spiel mit vielen Unbekannten und offenem Ausgang ist, liegt auf der Hand: Jeder Teilnehmer kann die Bitte um Beiträge anders verstehen, das Kostbarste kann - wie zu Franckes Zeiten - neben dem Trivialen Platz finden.

Mit einem besonderen Auftritt müssen diese Dinge um Aufmerksamkeit werben. Und deshalb werden die Ausstellungsgestalter die Artefakte in Bewegung setzen und optisch vervielfältigen, in immer neue Konstellationen treiben und in rätselhafte Hierarchien setzen - kurz, sie inszenieren. Dass Oliver Proske in seinen Bühnenräumen stets mit eigenwilligen Mechanismen und wandelbarem Mobiliar gearbeitet hat, kommt ihm ebenso zugute, wie Nicola Hümpel von ihrer poetischen Recherche-Technik profitiert. "Dinge der Welt" könnte zur Herzkammer des Festivals werden, zum lokalen Kraftzentrum des globalen Treffens. Dass sich das Logistik-Unternehmen DHL für diese Herausforderung begeistern konnte, ist ebenso nahe liegend wie der Enthusiasmus der Franckeschen Stiftungen. Doch bevor sich die Chef-Navigatoren ganz auf diese ungewohnte Herausforderung einlassen können, sind sie in dieser Woche noch mit ihrem international gefeierten Schubert-Projekt "Wo du nicht bist" im französischen Mulhouse zu Gast - und Anfang Mai im italienischen Polverigi. Dann aber wird Halle für längere Zeit einen festen Platz im Terminkalender von Nicola Hümpel und Oliver Proske beanspruchen. Denn nach "Theater der Welt" sollen auch die Händel-Festspiele 2009 erstmals mit der atemberaubenden Ästhetik der längst zu den Stars der freien Szene zählenden Theatergruppe Bekanntschaft machen.

Händel spielt mit

"Anaesthesia" ist der Arbeitstitel für jene Inszenierung, die zum 250. Todestag des Komponisten von der Kulturinsel aufbrechen und europaweit für das mitteldeutsche Barockzentrum werben soll. Auch dies ist Neuland - aber das ist für Navigatoren ja ohnehin die schönste Region. Geübt hat Nicola Hümpel dafür unlängst bereits bei einem Workshop mit Musiktheater-Studenten der bayerischen Akademie "August Everding" - allerdings nicht als Teilnehmerin, sondern als Dozentin.

Das Festival im Internet:

www.theaterderwelt.de