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«Feder im Sturm» - Eine Kindheit in China zu Zeiten Maos

Von Iris Auding 21.08.2007, 14:46

Hamburg/dpa. - Wu Yimao ist erst vier Jahre alt, doch ihr Schicksal scheint bereits besiegelt. Das kleine chinesische Mädchen stammt aus einer sogenannten schwarzen Familie, der Vater - Professor für englische Literatur - muss als «Rechtsabweichler» und «Element in Umerziehung» Zwangsarbeit in einem Straflager leisten.

Die Schuld der Eltern geht auf die Kinder über. Wenig später beginnt die Kulturrevolution (1966 bis 1976) - die Familie wird auseinandergerissen, gedemütigt, und aufs Land verbannt. In ihrem Buch «Feder im Sturm - Meine Kindheit in China» - der Vorname Yimao bedeutet Feder - schildert die heute in den USA lebende Emily Wu das Schicksal ihrer Familie.

Schüler und Studenten peinigen während der Kulturrevolution in Kampfversammlungen ihre Lehrer und Professoren und treiben zahlreiche von ihnen in den Tod. In Wandzeitungen wird dazu aufgerufen, «alle Dämonen, Ungeheuer und konterrevolutionären Revisionisten entschlossen, gründlich und vollständig zu eliminieren.» Immer wieder stürmen Studenten und Oberschüler, die sich zu revolutionären Gruppen zusammenschließen und sich Rote Garden nennen, die Wohnung der Familie Wu. Bücher werden verbrannt, alles, was bourgeois erscheint - wie Krawatten oder eine Schreibmaschine - beschlagnahmt. Die Eiferer erheben absurde Vorwürfe: So soll der Vater seine Korrespondenz mit «ausländischen Spionen» aushändigen.

Brutalität und Chaos regieren. Beide Eltern werden in eine Volkskommune aufs Land geschickt. «Ganz China war ein einziges Gefängnis geworden», schreibt die Autorin. Mehrere Jahre verbringt Wu Yimao in einem Dorf, bis Ende 1973 eine Rückkehr der Familie in die Stadt möglich wird. Nach ihrem Schulabschluss wird die mittlerweile 17-Jährige mit anderen gebildeten Jugendlichen erneut aufs Land geschickt. Erst mit dem Tod Mao Zedongs 1976 ändert sich die Situation, Yimao schafft die Aufnahmeprüfung zur Universität und beginnt ein neues Leben.

Plastisch schildert die Autorin die Atmosphäre in der Volksrepublik während der Hölle der Kulturrevolution. Es herrscht ein Klima der Angst, Zufälle und Willkür bestimmen über Leben und Tod. Der Fanatismus erreicht sogar Kinder aus roten Familien, also mit dem richtigen Klassenhintergrund, die Altersgenossen aus schwarzen Familien drangsalieren. Unbedachte Handlungen können ein Leben verändern: So sitzt eine Frau auf einer Tageszeitung, auf deren Titelseite der Vorsitzende Mao abgebildet ist - damit ist sie nun eine aktive Konterrevolutionärin.

Die Verehrung für Mao, der Intellektuelle verachtet, scheint grenzenlos: Er wird als «die allerröteste Sonne unserer Herzen» beschrieben. Für ein zehnjähriges Kind wirkt folgende Passage allerdings altklug: «Da begann ich nachzudenken über all das, was man mir über den Vorsitzenden Mao und die Partei eingetrichtert hatte. Mir schwante, dass alles nur Lügen waren.» An manchen Stellen hätte der geschichtliche Hintergrund vielleicht vertieft werden können, um das Verständnis der Zeit zu erleichtern. Die Autorin schildert berührende Schicksale, allerdings wurden ähnliche Lebenswege bereits zuvor beschrieben und daraus ergeben sich Parallelen. Dennoch hat auch dieses Buch seine Berechtigung, es hält die Erinnerung an ein dunkles Kapitel der chinesischen Geschichte wach.

Emily Wu, Larry Engelmann

Feder im Sturm - Meine Kindheit in China

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

400 S., Euro 19,95

ISBN 978-3-4555-0034-9