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Faszination Romy Faszination Romy Schneider: Was ein Buch über das Gesicht der Schauspielerin erzählt

Von Andreas Montag 27.12.2018, 11:00
Romy Schneider im Jahr 1971
Romy Schneider im Jahr 1971 imago stock&people

Halle (Saale) - Diese Frau lässt keinen kalt. Fast 40 Jahre nach ihrem Tod ist Romy Schneider, die im September dieses Jahres ihren 80. Geburtstag zu feiern gehabt hätte, so wunderbar nah und rätselhaft zugleich, dass sie einen unweigerlich in Beschlag nimmt.

Für die einen wird sie ewig die kindlich charmante Jung-Kaiserin Sissi bleiben. Als sie diese Filme drehte, war sie 17, 18 Jahre alt und wurde mit einem Schlag berühmt. Andere sind von ihrem komplizierten, geheimnisumwitterten und von Tragödien begleiteten Leben fasziniert - und gerührt angesichts ihres frühen Todes mit Anfang Vierzig. Cineasten schätzen Filme wie „Das Mädchen und der Kommissar“, den Claude Sautet 1971 mit Romy Schneider und Michel Piccoli drehte. Und alle sind sich einig: Sie war eine besondere Frau.

Näher an die Zuschauer

Der in diesem Jahr gelaufene deutsche Film „3 Tage in Quiberon“ mit Marie Bäumer als Romy Schneider hat den Star noch einmal näher an die Zuschauer heran gerückt. Doch unter den zahlreichen Erinnerungen an Romy, wie sie von vielen vertraulich, aber nicht respektlos genannt wird, ragt eine wegen ihrer Authentizität noch heraus. Es ist Hans-Jürgen Syberbergs Buch „Romy in Kitzbühel 1966“, erschienen bei Schirmer / Mosel.

Das Buch enthält einen Link zu Syberbergs Film über Romy sowie die Transkription des Interviews, das der Regisseur mit der damals 27-Jährigen führte. Sie war im Skiurlaub, man bekommt im Film deshalb auch zu sehen, dass Romys Fahrkünste nicht ganz an ihre schauspielerische Leistung heranreichten.

Überhaupt ist diese Dokumentation ein einziger Beweis demonstrativer Ungezwungenheit. Wo die Offenheit von der Selbst-Inszenierung abgelöst wird und ob beides nicht sogar ineinander verschwimmt - dies herauszufinden, macht unter anderem den Reiz des Unternehmens aus.

Story aus erster Hand

Ebenso spannend ist aber das Drama, das mit dem Film Syberbergs selbst verbunden ist. Das Buch liefert die Story aus erster Hand, vom Regisseur selbst, der heute 83-jährig in der Nähe von Demmin in Mecklenburg-Vorpommern lebt.

Als er Romy 1966 traf, war dies ein Auftragswerk des Bayerischen Rundfunks für den jungen, vom neuen Realismus im Kino beseelten Regisseur, der nur drei Jahre älter war als seine berühmte Gesprächspartnerin.

Syberberg wusste eigenem Bekunden zufolge nur wenig über sie. Von „Sissi“ hatte er gehört und die in Paris lebende Romy deshalb für sich als „die exilierte Kitsch-Königin des deutschen Heimatfilms“ abgespeichert.

Eine aufregende Konstellation: Aufstrebender, auf Fellini und Sozialkritik schwörender Jungregisseur trifft eine weltbekannte Schauspielerin, von deren Filmen er bis dahin keinen gesehen hat - ist aber neugierig und professionell genug, die Chance dieses Interviews nicht zu versemmeln.

Der Film, den der Bayerische Rundfunk dann unter dem Titel „Portrait eines Gesichts“ gesendet hat, war auf dringlich vorgetragenen Wunsch des neuen Mannes an Romys Seite, Harry Meyen, geschnitten worden. Weswegen Syberberg, der sein Material selbst schon um ein Drittel auf die vereinbarten 60 Minuten geschrumpft hatte, seinen Namen aus der Produktion zurückzog. Und von dem Sender später sogar mit Hausverbot belegt wurde.

Der „verschönerte“ Film geriet in Vergessenheit. Erst 1998, mehr als 30 Jahre nach seiner Entstehung und anderthalb Jahrzehnte nach Romys Tod, hat das Bayerische Fernsehen die Dokumentation wieder gezeigt - in der Fassung von Hans-Jürgen Syberberg.

Er selbst sieht in dem Skandal, dessen Opfer er seinerzeit wurde, den eigentlichen Beginn seiner Karriere als Regisseur. Fortan hat er alle seine Projekte selbst verantwortet - darunter den 1977 von Bernd Eichinger produzierten, 410 Minuten langen und im Westen höchst kontrovers diskutierten Mehrteiler „Hitler, ein Film aus Deutschland“.

Spiel mit dem Spiel

Sieht man nun aber Romy im „Director’s Cut“, also der Fassung des Regisseurs, wird man hingerissen sein vom Spiel mit dem Spiel, das hier stattfindet. Von dem Gesicht, dass einmal nicht fortgesetzt Sissi-haft strahlen muss und sogar, will man sehr genau hinschauen, ein paar winzige Unreinheiten trägt. Auch das stellt noch einmal Nähe her.

Aber derlei Bilder müssen es wohl unter anderem gewesen sein, die Herrn Meyen, dem nachmaligen Ehemann Romys und Vater des gemeinsamen Kindes, gegen den Strich gingen. Romy saß während des Zensurakts dabei und schwieg, wie Syberberg sich erinnert. 32 Schnitte wurden getan, damit der Star besser aussehen und wohl auch zuversichtlicher klingen sollte.

Dies aber ist gerade das Aufregende an diesem Gespräch, so sehr sich Romy dabei inszeniert haben mag. Hier reflektiert eine 27-Jährige auf dem frühen Gipfel des Erfolgs ihr Leben - woher sie kommt, was sie „Sissi“ zu verdanken hat und dass ihr die Arbeit, der Rummel um sie und ihr Leben überhaupt manchmal zu viel abfordern. Bei allem Selbstbewusstsein, das sie im Interview demonstriert  - Romy hatte wohl nicht die Kraft, der Ausbeutung ihres Talents und ihrer Schönheit zu widerstehen - oder die Dinge selbst stärker zu steuern.

Wenn sie über ihre Sehnsucht spricht, Theater zu spielen - und Gründe dagegen nennt, ist man zwischen Verständnis und Fassungslosigkeit hin- und hergerissen: „Aber ich kann, ich kann mir nicht leisten, mit Shakespeare anzufangen ... Ich hab’ nicht die Erfahrung, die Angst ist schon groß genug!“

Hans-Jürgen Syberberg: „Romy in Kitzbühel 1966. Texte, Photographien, Filmstills“, Verlag Schirmer / Mosel, München, 128 S., 19,80 Euro

(mz)