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"Fame" am Opernhaus Halle "Fame" am Opernhaus Halle: Ruhm für einen Abend

Von steffen könau 22.02.2015, 18:43
Tanz dich berühmt: Natascha Mamier (Mabel Washington), Natalia Joselewitsch (Grace Lamb), Lena Zipp (Carmen Diaz), Jörg Kunze (Schlomo Metzenbaum) und Dirk Zöllner (Nick Piazza, von links)
Tanz dich berühmt: Natascha Mamier (Mabel Washington), Natalia Joselewitsch (Grace Lamb), Lena Zipp (Carmen Diaz), Jörg Kunze (Schlomo Metzenbaum) und Dirk Zöllner (Nick Piazza, von links) falk wenzel Lizenz

halle (Saale) - Als Hospitantin hat Petra Straussová in Halle angefangen. Nach Ansicht von Matthias Brenner, Chef des neuen theater und bei der Inszenierung des Musicalklassikers „Fame“ am Opernhaus Halle auch Regisseur, machte die 29-Jährige ihre Sache hervorragend. „Übt mit den Tänzern, hilft bei der Choreografie.“ Hartes Bühnenbrot, wenig Glamour, auf jeden Fall aber nicht die Sorte Ruhm, für die die gebürtige Slowakin einst an die New York City Dance School in Stuttgart gegangen war.

Dann aber kam diese Grippewelle. Dann dieser Anruf von Franziska Hayner, die in „Fame“ die Hauptrolle der Miss Sherman hatte singen sollen. Krank, Bettruhe. Brenner wusste, dass Straussová die Rolle mitgelernt hat. Die Premiere stand auf dem Spiel. Brenner fragte also. „Wir haben uns also fest in die Augen geschaut“, erzählt er, „und dann hat sie gesagt, ich freue mich auf dieses Abenteuer.“

Quietschlebendige Mischung

Aus der Slowakei nach Sachsen-Anhalt, aus dem New York der 80er ins Halle der 2000er. Auch in der halleschen Inszenierung lebt „Fame“ nicht von der Belehrung, sondern vom Unterhaltungspotenzial. Das Stück, Anfang der 80er von Alan Parker für einen Musicalfilm geschrieben, später als TV-Serie und schließlich als Bühnenstück weiterverwertet, erzählt Geschichten aus einer New Yorker Kunstschule. Dort lernt eine Gruppe von ehrgeizigen Star-Anwärtern und schüchternen Talenten unter verschrobenen Lehrkräften - ideal fürs Theater, denn das gibt eine bunte, quietschlebendige musikalische Mischung, die den Schmelztiegel New York mit leichter Hand auf eine Bühne in Sachsen-Anhalt holt.

Hier haben die mit kräftigem Klischee-Strich gezeichneten Figuren eine große Fangemeinde, weil der Hollywood-Film auch in der DDR im Kino lief. Fans von damals sind es auch, die Matthias Brenner, der „Fame“ vor Jahren in Magdeburg auf die Bühne gebracht hat, mit seiner Inszenierung locken will.

DDR-Popstar Dirk Zöllner mischt mit

Am Premieren-Abend gelingt das, und nicht nur das. Neben Zuschauern in der Altersgruppe zwischen 50 und 60, die „Fame“ in ihrer Jugend im Kino gesehen haben, sind aber auch viele Jugendliche im Saal. An deren Sehgewohnheiten orientiert sich vor allem die erste Hälfte der Inszenierung, die temposcharf und als flotte Mischung von Gesangsnummern und Tanzszenen daherkommt. Mit DDR-Popstar Dirk Zöllner als Nick Piazza in einer der Hauptrollen wurde es den Zuschauern leicht gemacht, sich neu in „Fame“ zu verlieben. Im kargen Bühnenbild von Katja Lebelt, das unterstützt durch Videos von Conny Klar wahlweise Ballettsaal, Kantine oder Straßenszenen darstellt, toben pralles Leben und harter Konkurrenzkampf.

Mehr zur Premiere von "Fame" lesen Sie auf der nächsten Seite.

Der jüdische Pianist Schlomo (Jörg Kunze) und die reiche Ballerina Iris (Christina Athenstädt), der schwarze - hier weiße - Rapper Tyrone (Frank Schilcher) und die Latina-Tänzerin Carmen (Lena Zipp) tanzen und singen, streiten und lieben sich zu meist hymnischen Musical-Melodien. Begleitet wird die fast dreistündige Show von Tänzerinnen und Tänzern des Tanzhauses ad libitum aus Halle und der Theaterballettschule Magdeburg. Ein bunter Bilderreigen, der die im Kinofilm enthaltene Sozialkritik notgedrungen fast völlig auslässt.

Dirk Zöllner - der bis kurz vor der Premiere Schauspielunterricht genommen hat - meistert den ungewohnten darstellerischen Part souverän mit aufgerautem Schmelz, Peter W. Bachmann als Schauspiellehrer Myers mit Woody-Allen-Charme. Natascha Mamier spielt ihre Mabel als energische Wuchtbrumme, Natalja Joselewitsch gibt die Grace Lamb als dauertrommelndes Punk-Kid, Petra Straussová hingegen macht aus ihrer Miss Sherman eine gestrenge Domina.

Zweiter Teil flattert auseinander

Gefühle aus zweiter Hand, der Aufguss aber schmeckt trotzdem. Der Traum vom Ruhm, der Wunsch, für seine Talente beklatscht und gefeiert zu werden, sie sind universelle Phänomene: Miss Sherman könnte auch Dieter Bohlen heißen, Naturbegabungen wie Tyrone oder Grace finden sich in jedem „Supertalent“-Ausscheid. Selbst der tieferliegende, hier - im Beisein von Halles OB Bernd Wiegand - nur angerissene Konflikt drohender Etat-Kürzungen ist zeitlos schön.

Fast drei Stunden aber sind denn doch zu viel. Die zweite Hälfte der Inszenierung flattert auseinander. Jetzt gibt es Klamauk von Hilmar Eichhorn und Travestie mit Axel Gärtner, an die Stelle der knackigen Abfolge von Songs treten Dialoge und Monologe.

Zuverlässig toll spielt die Band unter Leitung von Alexander Suckel, die gelegentliche, meist der Bewegung auf der Bühne geschuldete Gesangspatzer routiniert überspielt. Die Geschichte über karriereversessene Selbstdarsteller, wilde Außenseiter und schüchterne Genies wird zur Geschichte einer Welt, die auf Selbstausbeutung bis hin zur Nutzung echter Gefühle zur glaubwürdigen Darstellung falscher vertraut. Kann das glücklich machen? Lohnt es sich, für ein falsches Leben im richtigen zu beten, wie es der Studentenchor anfangs mit „I pray I make PA“ beschwor - „Ich bete, dass ich die Prüfung bestehe“? Für die, die den großen Wurf landen, allemal und für das Publikum sowieso.

Im Opernhaus in Halle wird die Premiere am Freitag zum umjubelten Triumph. Das Publikum beklatscht die Leistungen der Schauspieler und Tänzer, in dem es ihnen stehend Ovationen darbringt, Begeisterung bei alten und neuen Fans. Am Bühnenrand steht ganz zum Schluss der Star des gefeierten Abends, ein schmales Lächeln im Gesicht und nun in einem Kleid statt im gestrengen Lehrerinnenkostüm: Petra Straussová hat ihr Abenteuer mit Bravour bestanden. Der Traum vom Ruhm ist wahr geworden. Für einen Abend erstmal.

Nächste Aufführungen: am Mittwoch, 12. und 17. März, jeweils 19.30 Uhr