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Neues Album des halleschen Rockmusikers  Falkenberg: Rockmusiker aus Halle veröffentlicht Album "Die Apathie der Sterne"

Von Steffen Könau 24.02.2018, 11:00
Ein Mann, ein Blick durch das Fenster, aus dem Musik wird.
Ein Mann, ein Blick durch das Fenster, aus dem Musik wird. Peter B. Kossok

Halle (Saale) - Ein Mann, ein Klavier, eine Melodie, so fängt es meistens an. Ralf Schmidt, der vor einigen Jahren in seine Heimatstadt Halle zurückgekehrte Komponist, Sänger, Poet und Musiker, der einst als IC Falkenberg der erfolgreichste Pop-Musikstar der DDR war, muss dann immer überlegen, was aus dem wird, was da von draußen hereinschneit.

Beim letzten Album, das am Ende „Menschen auf Brücken“ (hier bei Amazon kaufen) hieß, wurde aus dem Bild eben jener Menschen auf Brücken ein musikalischer Brückenschlag von den Ufern des Hasses zu den Liegewiesen der Liebe.

Ein Verzweiflungsschrei in üppigen Rock-Arrangements, mit dem Falkenberg, wie sich Schmidt seit Jahren nur noch nennt, den Puls der Zeit fühlte. Unsicherheit, Angst, Ratlosigkeit, die zu Rassismus wird.

Falkenberg: Siebtes Studioalbum des Rockmusikers aus Halle

Mittendrin der Liederschreiber, der gegen das Gefühl ansingt, dass viele sich abgefunden haben damit, dass trennende Risse bis in die Familien reichen. Wie zur Erholung folgte auf die Rockplatte, die ihre Botschaften leicht entschlüsselbar mit sich trug, ein Rätselwerk, das Falkenberg „Pianosa“ nannte.

Kein Wort hier, gar nichts, außer dem Mann, dem Klavier und elektronisch-akustischer Musik, die wie eine Leinwand für die Fantasien der Hörer funktionieren.

Die Brücken, die Inseln - und nun also das Weltall. „Die Apathie der Sterne“ hat Falkenberg das siebte Studioalbum seines zweiten Künstlerlebens genannt, das mit dem Album „Agonie und Ekstase“ und der radikalen Neuerfindung des Pop-Stars als Independent-Liedermacher neuer Art begonnen hatte. 

Rockmusiker Falkenberg hebt sich wie ein Berg aus der fließenden Musik

Genau 15 Jahre danach ersteigt Falkenberg mit den acht Stücken voller rätselhafter Metaphern einen neuen Gipfel seiner Kunst. Der 57-Jährige hat für seine kreiselnden und schmeichelnden Melodien diesmal wieder Worte gefunden, die aber funktionieren weniger als früher wie normale Rocksongtexte.

Hier trifft nicht Junge Mädchen, hier trennt sich nicht Frau von Mann, es gibt keine wilden Partys und nicht einmal die Rebellen, die Falkenbergs „Freiheit“-Album vor fünf Jahren zu einem Porträt des Aufbruchs im Zeichen von Attac und Occupy Wall Street machten, treten auf.

Stattdessen ist die Musik ein langer ruhiger Fluss, aus dem der Poet Falkenberg sich erhebt wie ein Berg, der auf dem „Moment als Staffelei“ über die „Anmut der Modulation“ sinniert und den „kollektiven Geist“ in der „Gedankenkaserne“ beim „Kauen auf seinem Kiefer“ beobachtet.

Falkenberg hat seine produktivste Zeit in alter Heimat

Musikalisch trägt ein Mahlstrom aus weichen Klängen von Flügel, Rockband und Elektronik keine Parolen, keine Geschichten, keine Menschenporträts wie das heftig gerockte „Rodeoclown“ von „Geliebtes Leben“ oder sorgfältige gezeichnete Stadtansichten wie „Die Stadt, die keiner kennt“, jene folkloristische Liebeserklärung an Halle, die der frühere Stadtsingechor-Sänger vor fünf Jahren auf seinem „Freiheit“-Album versteckt hatte.

Damals war Ralf Schmidt gerade nach Halle zurückgekehrt, nach Jahren im DDR-Rockzirkus und in den Hitparaden, nach dem Ausstieg aus dem Musikgeschäft, das er zu verabscheuen gelernt hatte, und nach Ausflügen in alle Welt, die ihn als Fotograf zu Nelson Mandela, Quincy Jones und Vince Clark geführt hatten.

Die alte Heimat war ein neues Abenteuer, in das sich aufzubrechen lohnte. Hier war Falkenberg mit sieben Alben in sieben Jahren so produktiv wie nie zuvor. Hier erspielte er sich seinen Anhang zurück und neue Fans hinzu, die seine Konzerte heute überall im Land füllen.

Falkenberg behandelt die großen Dinge, das Unerklärliche

Der kritische Blick des Jungen aus der Südstraße, den in der Schule alle „Schmatt“ nannten, ist nicht weg. Falkenberg hadert mit den Zeiten, mit der gesellschaftlichen Spaltung, mit dem Jeder-gegen-jeden.

Unter den Sternen der allgemeinen Apathie geht es deshalb um alles, um die großen Dinge, das Unverhandelbare, das Unerklärliche. Streicher schwimmen im Meer, ein Klavier tänzelt durch Scherben und der Sänger bestaunt „erwachende Ornamente“:

Anfang und Ende und Ende und Anfang und Asphalt und Schaufensterglanz und ein Nachtvogel, der über den Schlafenden wacht, bis ihn die Erinnerung  weckt.

Rockmusiker aus Halle: Falkenbergs neue musikalische Reise

Ein Dichter, der hier singt, in Stücken, die stilistisch so weit weg sind von gewöhnlichen Rocksongs wie der Mond von den Sternen. Falkenberg verbindet die elegische Stimmung von „Pianosa“ in den acht langen Songs dieses Albums mit dem literarischen Anspruch von Leonhard Cohen und Nick Cave.

Es gibt auf dieser musikalischen Reise auf „bleiernen Flüssen“ (Liedtitel) zu dem Strand, vor dem sich die Schiffe verneigen, ehe sie in rostiger Erde versinken, kein Ich und kein Du, keine Liebesszenen und keine Glücksmomente.

Sondern nur den stillen Blick des Sängers und Dichters auf eine Welt, gezeichnet vom Licht, das durch die Fenster zurückfließt in die Augen des Betrachters, der nicht urteilt über das, was er sieht, sondern, wie Friedrich Schiller schrieb, „denkend weilet“.

Falkenbergs Musik lindert den Schmerz

Ein Innehalten, ein Besinnen, eine ebenso schöne wie schonungs- und hoffnungslose Bestandsaufnahme einer Gegenwart, die ihre Brüche mit „Brot und Beton“ (Liedtitel) verbindet.

Lieder werden die Wunden nicht heilen können. Aber Falkenbergs  hypnotische Musik lindert zumindest den Schmerz.

Album-Releasekonzert von Falkenberg live am 2.  und 3. März im Objekt 5 Halle, Seebener Straße, Tel. 0345 47823360