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Eveline Hall Eveline Hall: Die aparte Abenteurerin

Von ANTONIE STÄDTER 12.10.2013, 08:45
Eveline Hall als Ballerijna in Las Vegas Anfang der 1970er
Eveline Hall als Ballerijna in Las Vegas Anfang der 1970er Privat Lizenz

Als sich Eveline Hall zur Begrüßung in dem hübschen Café in Berlin-Mitte von ihrem Stuhl erhebt, wandert der Blick unweigerlich von ihren langen, silbergrauen Haaren mit vorn der helleren Strähne zu ihren langen Beinen. Sie trägt eine knallenge schwarze Röhre, dazu einen schwarzen Rollkragenpullover - und wirkt sehr schmal. Ihr graziler Gang erinnert an ihre Zeit als Ballerina, und ein bisschen auch daran, dass sie in einem ganz anderen Metier vor gut zwei Jahren groß rauskam: Da stolzierte die 1,74-Meter-Frau mit den Eins-a-Modelmaßen 84-60-90 bei der Berliner Fashion Week neben den jungen Dingern über den Laufsteg von Designer Michael Michalsky. Er sagte später: „Als sie über meinen Catwalk lief, dachte ich, die steckt alle 30 Jahre jüngeren Mädchen in die Tasche.“ Was für ein Auftritt - und das mit 65! In knapp zwei Wochen wird Eveline Hall nun 68, sagt aber ohne Umschweife: „Ich fühle mich wie 30.“

Mit dem Unterschied, dass man in 30 Jahren kaum das erlebt haben kann, wie diese Frau: Als Teenager wurde sie Solo-Balletttänzerin an der Hamburger Staatsoper, einige Jahre später Showgirl am Lido in der Glamour-Welt von Las Vegas, feierte mit Leuten wie Elvis Presley, Barbra Streisand und Frank Sinatra. In ihrem „dritten Leben“ war sie Schauspielerin auf verschiedenen Bühnen - und nach ihrem Erfolg mit dem Modeln will sie nun auch noch singen und eine Modekollektion herausbringen. Es läuft halt gerade wunderbar. Dazu sagt sie Sätze wie „Ich hab Bock, das zu machen.“ Und es klingt kein bisschen aufgesetzt.

Über ihr bewegtes Leben hat sie nun mit zwei Co-Autorinnen ein Buch geschrieben, dessen Titel ganz treffend ihre Attitüde wiedergibt: „Ich steig aus und mach ’ne eigene Show“. Eveline Hall macht einfach, wonach ihr ist, hat stets auf ihr Bauchgefühl gehört. Die Abenteuerlust treibt sie noch heute an. Oder, wie sie es ausdrückt: „Ich bin niemand, der wartet, dass jemand an die Tür klopft. Ich gehe raus und nehme mein Leben selbst in die Hand.“ Auch, wenn sie inzwischen auf die 70 zugeht.

Über das Alter habe sie ohnehin nie nachgedacht, sich auch niemals alt gefühlt, beteuert die Ausnahmefrau. An diesem Tag gibt die Hamburgerin in Berlin Interviews am laufenden Band - seit Tagen geht das so. Eveline Hall beschwert sich nicht darüber. Im Gegenteil. Sie genießt die große Aufmerksamkeit; sagt, während sie sich mit der Hand durchs Haar geht: „Das lasse ich mir nicht nehmen.“ Und dann erzählt sie davon, dass sie gerade erst bei einer Talkshow im Fernsehen zu Gast war, einige TV-Auftritte kommen nach dem Interviewmarathon noch. Doch an diesem Abend steht erst einmal eine Lesung aus ihrem Buch an. Zum ersten Mal macht sie das. Und diese Tatsache lässt selbst die sonst so toughe Frau ein wenig Bammel bekommen.

Natürlich gelingt ihr auch das - schließlich ist Hall auf der Bühne zu Hause. 1945 als Tochter des Berliner Schauspielers Kurt Klopsch und einer Tänzerin geboren, entdeckt Eveline sehr früh das Ballett für sich. Sie legt eine Karriere als Primaballerina hin, erlebt dabei aber auch immer wieder harte Konkurrenz, Neid und Missgunst. Sie ist Mitte 20, als sie von Hamburg nach Las Vegas geht - und ein ganz anderes Leben entdeckt. Dort tritt sie als Showgirl auf und lernt ihre große Liebe, den Cherokee-Indianer David Hall, kennen. Seinen Nachnamen trägt sie noch heute - auch, wenn die Ehe scheiterte und sie schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm hat.

Heute lebt Eveline Hall in Hamburg mit ihrer Mutter zusammen in der 65-Quadratmeter-Wohnung, in der die Familie schon zu viert seit den Fünfzigern gewohnt hat. Sie hatte sich Ende der 90er Jahre gegen ihr Leben in Frankreich entschieden. Eine schwere Zeit: Eveline Hall kam zurück nach Deutschland und zog bei der Mutter ein, nachdem sich ihr spielsüchtiger Bruder das Leben genommen hatte. Ihre heute 92-jährige Mutter - sie nennt die Tochter noch immer liebevoll „Püppi“ - sei mächtig stolz auf ihren Erfolg, erzählt Hall, „und dass sie das noch erleben kann“. Sie sei ihre „engste Freundin“.

Die aparte Schönheit ist nicht nur auf Laufstegen unterwegs - sie hat in den vergangenen Jahren auch mit den Stars unter den Modefotografen zusammengearbeitet: Größen wie Peter Lindbergh waren darunter, oder Ellen von Unwerth. Eveline Hall landete auf den Titelseiten von Modemagazinen, wurde ein gefragtes Gesicht für große Modeproduktionen. Dabei war sie es gar nicht selbst, die die Berliner Fashion Week - gewissermaßen der Ort ihres Durchbruchs als Model - im Sinn hatte. Ted Linow, Chef der Agentur Mega Models, bei der sie unter Vertrag steht, hatte die Idee. Der Designer Michael Michalsky machte mit. Und die Frau mit den vielen Talenten hatte sich mal wieder neu erfunden. „Wenn man den Mut hat, neue Dinge zu tun, dann öffnen sich oft andere Türen“, sagt Eveline Hall. Das sei etwas, das sie weitergeben möchte - vor allem an die junge Generation.

Wobei es meist nicht ausreicht, nur loszulegen. Dass es Disziplin braucht, um erfolgreich zu sein, weiß Hall seit ihren Teenie-Tagen als Ballerina. Regelmäßig schaut die Frau, die sich bewusst gegen Kinder und für die Karriere und Selbstverwirklichung entschieden hat, englisches und französisches Fernsehen - um nur die Fremdsprachen nicht zu verlernen, die sie im Laufe ihres Lebens selber nutzte. Und noch immer macht die ehemalige Tänzerin jeden Tag ihre spezielle Hantelgymnastik mit Fünf-Kilo-Gewichten - genauso wie ihre Mutter, wohlgemerkt. Und inzwischen seit Jahrzehnten. Womit natürlich noch die Frage der Fragen gestellt werden muss - bei einer Frau, die auch mit Ende 60 solch ein Hingucker ist: Frau Hall, wie machen Sie das?

Eiserne Disziplin, wie gesagt. Was nicht heißt, dass sie für ihre Maße hungern würde: Wer morgens seine Übungen macht, kann später auch entspannt kulinarisch genießen. Einer ihrer Favoriten: ein ordentlich blutiges Steak. Sie achtet darauf, gesund zu leben, habe nie geraucht und auch nie Kaffee getrunken, erzählt Eveline Hall. Ansonsten verlasse sie sich nicht auf solche Sachen wie Faltencremes, sondern versuche einfach glücklich zu sein. „Wer strahlt, wirkt jünger.“ Das bedeutet indes keinesfalls, dass Eveline Hall auf jung machen will. Die Haare färbt sie sich seit mehreren Jahren nicht mehr blond. Schönheitsoperationen kämen für sie nicht in Frage. Sie hat einmal gesagt: „Wir Frauen ab 50 müssen etwas darstellen, damit man uns sieht.“ Es gehe um Persönlichkeit. Beim Interview in dem Berliner Café sagt sie auch diesen Satz: „Ich weiß, dass ich gut aussehe.“

Eveline Hall mit Kirsten Gleinig und Hiltrud Bontrup: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show. Eden Books, 256 Seiten, 19,95 Euro.
Eveline Hall mit Kirsten Gleinig und Hiltrud Bontrup: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show. Eden Books, 256 Seiten, 19,95 Euro.
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