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Eva Herman bei «Kerner» Eva Herman bei «Kerner»: Ein fragwürdiger Triumph

Von Carsten Rave 09.10.2007, 18:12
Die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman verlässt am 9. Oktober während der Aufzeichnung in Hamburg die Talkshow «Johannes B. Kerner», rechts sitzt Schauspielerin Senta Berger. (Foto: dpa)
Die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman verlässt am 9. Oktober während der Aufzeichnung in Hamburg die Talkshow «Johannes B. Kerner», rechts sitzt Schauspielerin Senta Berger. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/Frankfurt/dpa. - Herman erwiderte den Dank und verließ die Gesprächsrunde, durch die sie sich rund 50 Minuten gequält hatte. Die ganze Zeit hatte sich die 48-Jährige, diesich während der vergangenen vier Wochen wegen missverständlicher Äußerungen über die Nazi-Zeit in die Schlagzeilen katapultiert hatte, gegen ihre Gegner und Kritiker zur Wehr setzen müssen. 2,65 Millionen Zuschauer - mehr als sonst - wurden zu später Stunde Zeugen einer Talkshow mit einem ungewöhnlichem Verlauf.

So eine Eva Herman, die lange Zeit als «Tagesschau»-Sprecherin und Showmoderatorin zu den Lieblingen des Publikums gehörte, hatte dieses allerdings noch nie gesehen. Ihre Mimik, die ständig auf und nieder gehenden Augenbrauen und der oft zusammengekniffene Mund, verrieten, wie unwohl sie sich im Kreis der Diskutanten fühlen musste. Moderator Kerner versuchte immer wieder, ihr eine Brücke zu bauen und ein Wort des Bedauerns für Äußerungen aus der jüngsten Vergangenheit zu entlocken, doch mit kurzen, unbedacht wirkenden Einschüben über Hitlers Autobahnen und die «gleichgeschaltete» Presse in Deutschland verschlimmerte sie das Klima in Kerners Studio nur noch mehr.

«Wenn sie derlei angebräunte Ansichten nicht bewusst vertritt, ist sie ein Opfer ihrer eigenen unklaren Haltung», sagt der Psychologe Thomas Kliche von der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf über eine Eva Herman, die nun um ihren Ruf ringt. «Diese Haltung beruht auf halbherziger Auseinandersetzung, emotionaler Verstrickung und erschreckender Kenntnisarmut. Sie sollte sich sachkundig machen, in welchen Sumpf sie da geraten ist.» Eine Rückkehr zum Beruf werde schwierig, denn «wer will ihr dazu nach dieser Vorgeschichte noch ein Forum bieten?» Der NDR wird es nicht - er hat sich von ihr getrennt. Herman hat beim Arbeitsgericht dagegen Klage eingereicht.

«Mein Rat wäre sofortiger Rückzug aus der Öffentlichkeit, Zeit zum Nachdenken nehmen, und besonnene Dritte einbeziehen», sagt die Diplompsychologin Ulrike Schulze Wischeler-Dau mit der Einschränkung, nicht mit Herman geredet zu haben, sondern nur eine Einschätzung abzugeben. «Vielleicht schüchtert die öffentliche Diskussion sie inzwischen aber auch ein, vielleicht traut sie ihren eigenen Aussagen nicht mehr ganz. Vielleicht verliert Herman auch an Selbstvertrauen, wenn die Bestätigung ihrer Überzeugungen durch andere ausbleibt. Salopp verkürzt: Für etwas, was ich, Eva Herman, nicht getan habe, könnt ihr mich doch nicht anklagen, verurteilen - und auch noch Reue erwarten».

Medienexperte Ulrich Spies vom Adolf-Grimme-Institut in Marl sagt, es sei durch Eva Hermans Buch, «durch ihre auf Provokationabzielenden Äußerungen und das Ausschlachten der damit ausgelösten öffentlichen Resonanz durch die Medien eine Debatte über grundlegende Wertefragen in unserer Gesellschaft in Gang gesetzt worden, die eigentlich einer seriöseren Erörterung bedarf». Sie sollte - durch gezielte Deeskalation - aus «dem von Medien angeheizten Klima der Stammtische zurück verlagert werden auf die Ebene und an die Orte, wo sie eigentlich hingehört: das ernsthafte Gespräch in der Familie, in Kirchen und Parteien.»

Im Internet beschäftigten sich am Dienstag viele Autoren sehrkritisch mit dem Auftritt Hermans. «Sie hat sich so vollkommeneingekuschelt in ihrer Opferrolle, in die sie auch von außengetrieben wurde, dass da kein Zentimeter Platz ist für eigenesFehlverhalten», schrieb der Journalist Stefan Niggemeier in seinem Blog. «Das eigentlich Erschreckende ist, wie dumm jemand sein kann, wie ahnungslos, wie dilettantisch und laienhaft in einer Medienwelt, in der sie sich seit vielen Jahren professionell bewegt.» Mit der Art, wie sie sich selbst zum Opfer stilisiert habe, weil sie angeblich nur über die deutsche Geschichte «gesprochen» habe, habe sie sich mit einer Entschiedenheit selbst ins rechte Abseits gestellt, wie es kein fahrlässig oder böswillig verkürztes Zitat je geschafft hätte.

Es sei ein fragwürdiger Triumph des Moderators über eineangeschlagene Gegnerin gewesen, die nicht klug genug sei, sich diesen Auftritt zu ersparen, urteilte der Journalist Jörg Thomann in seinem Beitrag für die Online-Ausgabe der «FAZ». «Ob gewollt oder nicht: Spätestens jetzt ist Eva Herman zur Märtyrerin all jener geworden, die überzeugt davon sind, dass es in diesem Land kein Recht auf freie Rede gebe.»

Die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman verlässt während der Aufzeichnung in Hamburg die Talkshow «Johannes B. Kerner». (Foto: dpa)
Die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman verlässt während der Aufzeichnung in Hamburg die Talkshow «Johannes B. Kerner». (Foto: dpa)
dpa