Wieviel Satire durfte sein zu DDR-Zeiten? "Eulenspiegel" feiert 70. Geburtstag - Wieviel Satire durfte sein zu Ostzeiten?

Halle (Saale) - Satire und die DDR - das schließt sich eigentlich aus, ist man versucht zu sagen. Es sei denn, man wollte die Realsatire dazuzählen, die bei propagandistischen Großveranstaltungen regelmäßig zu erleben war: Dann standen die alten oder schon greisen Funktionäre auf einer Tribüne, ballten die Fäustchen und sangen mit aller Inbrunst, sie seien die junge Garde des Proletariats.
Und doch hat es natürlich „richtige“ Satire gegeben - sie wurde auch gebraucht - vom Volk wie seinen Vorturnern von der SED. Wobei der Gebrauch durch die Machthaber eben in vielen Fällen eher ein Missbrauch war - wie es bei den übrigen Medien in der DDR, auch bei der „Freiheit“, dem Vorläufer dieser Zeitung, im wahrsten Sinne zwangsläufig der Fall gewesen ist.
Chefs bestellten die Musik
Gleichwie, ihren „Eulenspiegel“ haben die Menschen im Osten gemocht, man gab das Blatt von Hand zu Hand, dessen Auflage wöchentlich bei einer halben Million Exemplaren lag und des Papiermangels wegen auf diesem Niveau „eingefroren“ war. Sonst wären sicher noch deutlich mehr Hefte über die Ladentische gegangen. Sollten die Funktionäre halt denken, was sie wollten, wenn sie einem nur das bisschen Freude ließen - auf dieser Mitte trafen sich die Ostler und ihre führenden Genossen.
Heute nennt man so etwas eine Win-Win-Situation: Die mehr oder weniger begeisterten Erbauer des Sozialismus bekamen etwas zu lachen, was ja nicht der Regelfall in der grauen, obendrein eher humorlosen Republik war. Und die Chefs bestimmten, worüber gespottet und gelacht werden durfte. Versorgungslücken, auch die Bürokratie wurden gern freigegeben, wenn bloß nicht zu scharf geschossen wurde von den Kabarettisten und Redakteuren. Schon gar nicht auf die, die politische Verantwortung für das alltägliche Desaster trugen.
Anders lag der Fall freilich, wenn es darum ging, den faulenden, parasitären Imperialismus zu geißeln. Da ging es schließlich um den Klassenkampf, da konnte man auch persönlich werden.
Begehrt auch wegen Frauenaktfotos
Als Ventil für den Ärger der überwiegend im Stillen murrenden Arbeiter und Bauern war der „Eulenspiegel“ indes bestens geeignet. Jetzt darf sich das inzwischen monatlich erscheinende Blatt, dessen Auflage immerhin noch bei mehr als 100 000 Exemplaren liegt, mit der fünften Ausgabe dieses Jahres selber feiern zu seinem 70-jährigen Bestehen. So lange ist das her, zählt man die Gründerzeit unter dem Titel „Frischer Wind“ hinzu, dem die sowjetische Administration die Lizenz erteilt hatte.
Zu DDR-Zeiten war der „Eulenspiegel“ mindestens so begehrt wie das „Mosaik“, die „Wochenpost“ und das „Magazin“, dessen Popularität noch zusätzlich gesteigert wurde durch den Abdruck von Frauenaktfotos. Auch die „Eule“, wie man die Zeitschrift kurz und durchaus liebevoll nannte, hatte dergleichen zu bieten - in der Beilage „Funzel“, dem „Abendblatt für trübe Stunden“. An den Spind-Türen der Soldaten wie der werktätigen Massen konnte man die Nackedeis wiederfinden - sie waren die Pin-ups der DDR.
Über den Inhalt, soweit er denn von den Autorinnen und Autoren selbst bestimmt werden durfte, hat man, wie bei jeder Satirezeitschrift, auch streiten können. Humor ist eben keine objektive Kategorie, sondern abhängig vom persönlichen Geschmack. Rasch hat mancher, der den Handel der Redaktion mit ihren Zensoren ahnte, die politisch wohlfeilen Attacken auf den bösen Westen überblättert und sich an jenen Beiträgen erfreut, die den eigenen Angelegenheiten gewidmet waren - oder einfach gutes Feuilleton boten. Das hat eine große Tradition in Deutschland, die freilich durch die Zeit des Nationalsozialismus gebrochen und beschädigt worden ist.
Witz der speziellen Art
Einer, der die Kultur des intelligenten, hintersinnigen, literarischen Humors im schnelllebigen Tagesgeschäft hochgehalten hat, ist Johannes Conrad gewesen. An ihm, der auch Schauspieler war und gemeinsam mit dem gewitzten Sachsen Peter Sodann satirische Programme für das Berliner Ensemble zu Zeiten Helene Weigels geschrieben hat, schieden sich freilich die Geister. Fanden die einen, darunter der Autor dieses Beitrags, das Conrads Texte die besten im „Eulenspiegel“ waren, schüttelten andere den Kopf und monierten, sie fänden die Stelle zum Lachen nicht.
In der Tat ist der Witz Johannes Conrads, der 1929 in Radeberg geboren worden war und 2005 in Berlin starb, von spezieller Art gewesen. Harmlos plaudernd kamen seine Geschichten daher, die Pointen waren nicht selten mit einem Zeitzünder versehen. Nichts für Freunde des Schenkelklopfens, aber oft ein Lesegenuss.
Nun würde der „Eulenspiegel“ nach Wolfgangs Schäubles neuestem Plan in Rente gehen können - allein, es sieht nicht danach aus. „Unbestechlich, aber käuflich!“ will das Blatt bleiben und hat es immerhin geschafft, neben Sand- und Ampelmännchen aus dem Osten in die neue Zeit zu kommen. (mz)
