EU-Erweiterung EU-Erweiterung: Görlitz hat wieder eine Altstadtbrücke

Görlitz/dpa. - Noch sollen hohe Bauzäune verhindern, dass hierjemand unerlaubterweise das Ufer wechselt. Am 20. Oktober werden dieSperren dann wohl verschwunden sein, denn an diesem Tag soll die neueAltstadtbrücke von Görlitz über die Neiße ins polnische Zgorzeleceröffnet werden. Das 3,1 Millionen Euro teure Bauwerk ist mehr alsein weiterer Grenzübergang Sachsens zu Polen: Es soll zwei Städtewieder ein Stück näher zusammenbringen, die bis zum Zweiten Weltkriegzwei Teile einer Stadt waren und seitdem durch eine Staats- undSprachgrenze voneinander getrennt sind.
Dass sich einmal wieder so viele Brücken über die Neiße spannenwerden wie einst, daran mag so recht in Görlitz niemand glauben.Sieben Brücken waren es bis zum Zweiten Weltkrieg, in den letztenKriegstagen wurden sie von deutschen Einheiten zerstört. Mit derAltstadtbrücke sind es jetzt zumindest wieder zwei Straßenbrücken imGörlitzer Stadtkern. «Kann sein, dass noch die eine oder andereFußgängerbrücke dazukommt», glaubt der Görlitzer Heimatforscher ErnstKretzschmar. Die Rufe von der entstehenden Brückenstadt Görlitz-Zgorzelec hält er aber für reichlich übertrieben.
Wo sich heute die neue Altstadtbrücke über die Neiße spannt, standbis zu ihrer Sprengung am Kriegsende schon einmal eineAltstadtbrücke. Sie war 1907 fertig gestellt worden und löste eineHolzkonstruktion ab, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundertzurückreichen. Die Trümmer der letzten Altstadtbrücke waren beim Bauder neuen Brücke im Wasser entdeckt worden und behinderten dieBauarbeiten so stark, dass die Kosten letztlich deutlich stiegen.
Die neue Brücke ist in etwa eineinhalb Jahren Bauzeit entstanden.Finanziert wird das 3,1 Millionen Euro teure Bauwerk aus EU-Töpfen(1,2 Millionen Euro), vom Land Sachsen (1,5 Millionen Euro) und vonder Stadt Görlitz (400 000 Euro). Sie ist 82,50 Meter lang undzwischen 9,80 und 11,30 Meter breit. Sie darf von Fußgängern undRadfahrern benutzt werden und - im Notfall - von Rettungsfahrzeugen.Neben der Stadtbrücke und einem Eisenbahn-Viadukt ist dieAltstadtbrücke die dritte Verbindung zwischen Görlitz und Zgorzelecim unmittelbaren Stadtkern.
Von der neuen Brücke ist es nur ein Steinwurf zur Terrasse der ander Neiße gelegenen Vierradenmühle. Dietmar Dörfer ist Eigentümer derlaut Eigenwerbung «östlichsten Gaststätte Deutschlands». «Wirerhoffen uns von der neuen Brücke mehr Gäste aus Polen», sagt er. Vonden Preisunterschieden zwischen den Neißeufern dürfte aber vor allemseine Kollegin Elzbieta Lech-Gotthardt profitieren: Sie betreibtgegenüber der Vierradenmühle auf polnischer Seite mit derDreiradenmühle ebenfalls eine Gaststätte. Dörfer und Lech-Gotthardthaben den Brückenschlag zwischen beiden Neißeseiten schon erfolgreichvorgemacht: Zu besonderen Veranstaltungen ließen sie eine Holzbrückezwischen ihren Gaststätten über die Neiße errichten.
Der Görlitzer Oberbürgermeister Rolf Karbaum (parteilos) sieht mitder neuen Altstadtbrücke «ein weiteres Stück europäischer Normalitätauch für die Grenzstadt Görlitz/Zgorzelec Wirklichkeit» werden. Derwirtschaftliche und kulturelle Austausch über die Neiße hinweg sollmit Hilfe der Brücke weiter angekurbelt werden. Görlitz und Zgorzelecwollen - trotz angespannter Haushaltslage - 2010 gemeinsamKulturhauptstadt Europas werden.