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Ernst Jünger Ernst Jünger: Zum zehnten Todestag gibt es zwei dicke Biografien

Von Thomas Borchert 11.02.2008, 12:52
Der Schriftsteller Ernst Jünger (Archivbild vom 30.11.1995). Als Jünger vor zehn Jahren starb, hatte er den Status eines von Politikern und literarischen Kollegen öffentlich hoch geehrten «Jahrhundert-Autoren» erreicht. Zu seinem zehnten Todestag erscheinen nun gleich zwei neue Biografien von Heimo Schwilk mit «Ernst Jünger - Ein Jahrhundertleben» und Helmut Kiesel mit «Ernst Jünger - Die Biografie». (Foto: dpa)
Der Schriftsteller Ernst Jünger (Archivbild vom 30.11.1995). Als Jünger vor zehn Jahren starb, hatte er den Status eines von Politikern und literarischen Kollegen öffentlich hoch geehrten «Jahrhundert-Autoren» erreicht. Zu seinem zehnten Todestag erscheinen nun gleich zwei neue Biografien von Heimo Schwilk mit «Ernst Jünger - Ein Jahrhundertleben» und Helmut Kiesel mit «Ernst Jünger - Die Biografie». (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Als Ernst Jünger vor zehn Jahren starb, hatte erden Status eines von Politikern und literarischen Kollegen öffentlichhochgeehrten «Jahrhundert-Autoren» erreicht. Fast drei Jahr vorher,zu Jüngers 100. Geburtstag am 29. März 1995, pilgerte der damaligeBundeskanzler Helmut Kohl in Jüngers Domizil in der Oberförsterei desSchwarzwald-Ortes Wilfingen. Zum zehnten Todestag am kommendenSonntag (17. Februar) sieht Jüngers Biograf Heimo Schwilk die Rolle des Autoren noch längst nicht ausgespielt: «Wo könnte einegleichermaßen ökologisch wie ontologisch (an grundlegendenSeinsfragen) interessierte Jugend fündiger werden als bei einemAutor, der das Wunderbare in Waldgängen und auf Reisen rund um dieWelt dingfest zu machen suchte?»

Ins Gedächtnis vieler Zeitgenossen hat sich allerdings ehereingebrannt, wie Jünger als junger Freiwilliger im Ersten Weltkriegvor allem literarisch das «Wunderbare» am massenhaften Sterben jungerMänner fand und dies als ästhetisches Phänomen statt als moralischesProblem beschrieb. «In Stahlgewittern» (1920 veröffentlicht) machteJünger berühmt und zum jungen Helden der nationalistischen Rechteneinschließlich der Nationalsozialisten in Deutschland.

Nach Hitlers Machtübernahme 1933 hielt er sich von den Nazis fern,lebte zurückgezogen von den Einnahmen seines «Stahlgewittern» sowieanderer Bücher und frönte seiner lebenslangen Leidenschaft für dasInsekten Sammeln. Als Besatzungsoffizier in Paris bis 1944 frönte ernicht zuletzt erotischen Leidenschaften, knüpfte aber auch Kontaktezum Widerstand des 20. Juli und warnte Juden vor der bevorstehendenDeportation.

Jünger hatte zum Ende des Zweiten Weltkrieges den Sinn für dieästhetische Seite des Blutvergießens nicht verloren. Am 8. Mai 1945,unmittelbar nach der deutschen Kapitulation, notierte er in seinemTagebuch: «Der Wein am Haus bricht üppig, strotzend aus den Trieben;im Laubwerk, im Ausbruch schon verrät sich die dionysische Kraft.Einmal, vor Jahren, schnitt ich ihn zu spät und hörte in der Nachtden Saft aus den Wunden wie Blut herabtropfen.»

In der Bundesrepublik blieb Jünger lange Zeit als geistigerWegbereiter der Nazis ein Außenseiter. Einen «kriegsbrünstigenAbenteurer» nannte ihn noch 1998 der damalige Spiegel-HerausgeberRudolf Augstein. Der Publizist Walter Jens warf Jünger «niezurückgenommene extrem antisemitische Äußerungen» vor, derSchriftsteller Peter Handke sprach von «Selbstgefälligkeit undAuserwähltheitsdünkel». Zu einem Anwalt des Autoren machte sich derjüngere Kollege Botho Strauß: «Jünger hat täglich Geheimnisseentdeckt und genannt.»

Im hohen Alter wurde Jünger mehr und mehr ein von den Mächtigenhofierter «Überlebender» und hoch geachteter Zeitzeuge. Zumgemeinsamen Gedenken an deutsch-französische Schlachten desErsten Weltkrieges nahmen Kohl und Frankreichs Präsident FrançoisMitterrand ihn mit auf die Presse-Fotos.

Das habe dem im Alter auf offizielle Ehrungen stark bedachten«Anarch des Jahrhunderts» («Der Spiegel») sehr zugesagt, berichteteiner seiner Biografen. Dass jetzt zu Jüngers zehntem Todestag gleichzwei neue Biografien im Ziegelsteinformat mit 620 Seiten (HeimoSchwilk, Ernst Jünger, Ein Jahrhundertleben, Piper Verlag) und 700Seiten (Helmut Kiesel, Ernst Jünger, Die Biographie, Siedler Verlag)erschienen sind, hätte ihm wohl auch gefallen.