Enoch zu Guttenberg Enoch zu Guttenberg: Dirigent und Öko-Aktivist

München/ddp. - Derexzentrische Monarch kaufte die Insel und errichtete dort seine«Festung der Einsamkeit»: ein gigantisches Schloss nach dem Beispieldes Versailler Palastes von Sonnenkönig Ludwig XIV.
Heute ist die Herreninsel nicht nur eines der bekanntestenTouristenziele Bayerns, sondern alljährlich auch Schauplatz eineskleinen, aber feinen Festivals, der «Herrenchiemsee-Festspiele» desDirigenten und bekennenden Umweltschützers Enoch zu Guttenberg(11.-22. Juli). Während der Festspiele bewohnt der Baron eine Wohnungim ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift auf Herrenchiemsee, «AltesSchloss» genannt. Es sind dieselben Räume, in denen einst auch Ludwigresidierte. Hier zieht sich Guttenberg zum Partiturstudium zurück:«Wenn abends das letzte Schiff abgefahren ist, ist man auf der Inselganz allein. Ein wunderbarer Ort.»
Guttenberg ist nicht nur ein international bekannter Dirigent,sondern zählt zu den Männern der ersten Stunde in der deutschenÖkobewegung. Er arbeitete zusammen mit dem Verhaltensforscher KonradLorenz, dem Zoologen Bernhard Grzimek und der bayerischen Öko-IkoneHubert Weinzierl. In den 80er Jahren engagierte er sich etwa gegenden geplanten Bau der atomaren Wiederaufbereitungsanlage inWackersdorf und kämpfte gegen so manches landschaftszerstörendeStraßenprojekt. Außerdem gehört er zu den Mitgründern des BundesNaturschutz, Bayerns größtem Umweltverband, und hob die Vereinigung«Artists United for Nature» mit aus der Taufe.
Heute treibt ihn vor allem der Klimawandel um. Wenn der Menschseinen Lebensstil nicht radikal umstelle, werde das Ökosystem Erdeden Klimawandel nicht überleben, sagt Guttenberg. Und ob der Homosapiens dazu fähig sei, daran hat der ökobewegte Künstler erheblicheZweifel: «Wir sind die einzige Art, die ihren Kindern nichtbeibringt, wie man überlebt, sondern wie man sich selbst ausrottet.»
Manchmal wirken die Reden des sensiblen Adligen ein wenigfatalistisch. Etwa wenn er kritisiert, dass heute der Umweltschutzzwar in allen Parteiprogrammen stehe, aber dennoch viel zu weniggetan werde. «Das macht manchmal schon bitter.» Dass der 60-Jährigevor kurzem mit seiner zweiten Frau noch zwei Kinder gezeugt hat,bereite ihm «neben Glücksgefühlen auch düstere Visionen für diejungen Leben». «Unsere Enkel «werden nicht mehr nach Arbeitsplätzenfragen, sondern, ob sie noch Wasser haben", glaubt Guttenberg.
Nur in der Musik kann Guttenberg die drängenden Zukunftsfragenmanchmal vergessen. «Ich bin nie glücklicher als in einer Probe odereinem Konzert. Man ist da in einer anderen Welt und bekommt Antwortauf Fragen, die einem die reale Welt nicht geben kann.» Auch seinFestival auf Herrenchiemsee soll nicht eines unter vielen sein,sondern eine «Insel im Meer der Festivals».
Zusammen mit seinem Dramaturgen Klaus Jörg Schönmetzler entwickeltGuttenberg jedes Jahr ein Motto, das mit der ambivalentenPersönlichkeit von Ludwig II. zu tun hat. Dieses Jahr lautet dasMotto «Maskulin - Feminin» und spielt unter anderem auf die«homophilen Neigungen» des «Märchenkönigs» an. Auf dem Programmstehen unter anderem eine halbszenische Aufführung von WolfgangAmadeus Mozarts «Don Giovanni» und Claudio Monteverdis «Marienvesper»mit dem famosen Taverner Consort.
Gespielt wird im unvollendeten Treppenhaus von SchlossHerrenchiemsee und im Spiegelsaal, den Ludwig der Spiegelgalerie inVersailles nachempfinden ließ, außerdem zum ersten Mal im romanischenMünster von Frauenchiemsee. Mit seinen beiden Ensembles, derChorgemeinschaft Neubeuern und dem Orchester KlangVerwaltung,bestreitet Guttenberg selbst einen gewichtigen Teil des Programms.Der ungewöhnliche Name des Orchesters solle zeigen, «dass uns dieWerke nicht gehören, sondern, dass wir im Dienst der Werke stehen».