Enkel veröffentlicht Buch Enkel Roberto Yáñez veröffentlicht Buch über seine Großeltern Margot und Erich Honecker

Halle (Saale) - Erich Honecker und seine Frau Margot, er SED- und Staatschef, sie Volksbildungsministerin, waren bis zum Herbst 1989 das mächtigste Ehepaar in der DDR. Danach wurden sie von ihren Genossen fallen gelassen, mussten die Waldsiedlung Wandlitz verlassen, wo sie sich mit den anderen Spitzenfunktionären vor ihrem Volk abgeschottet hatten, und fanden im Haus des Lobetaler Pfarrers Uwe Holmer Zuflucht vor einem wütenden, lynchlustigen Mob.
Dass die Honeckers, beide erklärte Atheisten, in ihrer Bedrängnis den Schutz eines von ihrer Partei verfolgten Gottesmannes in Anspruch nehmen mussten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Honecker-Enkel Roberto Yáñez: Sein Vater stammt aus Chile
Mit der Erinnerung an die Fahrt seiner Familie zu den Großeltern nach Lobetal beginnt Roberto Yáñez seine Erzählung. Sie basiert zu großen Teilen auf Gesprächen, die der Filmemacher Thomas Grimm mit dem als Maler und Dichter in Chile lebenden Honecker-Enkel geführt hat.
Robertos Mutter Sonja ist die Tochter des obersten DDR-Bürgers und seiner Frau. Leonardo Yáñez, Robertos Vater, ist Chilene. Er war von der sozialistischen Allende-Regierung zum Studium in die DDR geschickt worden. Nach dem Putsch des Generals Pinochet 1973 wurde Leonardo zum politischen Flüchtling, der in seiner Heimat jahrelang auf einer Todesliste stand.
Honecker-Enkel: Als die DDR zerfiel ist Roberto Yáñez 15 Jahre alt
Roberto ist zum Zeitpunkt des Absturzes seiner Großeltern 15 Jahre alt. So nahe wie er sind nur wenige dem erst allmächtigen, dann gefeuerten Generalsekretär und seiner aus Halle stammenden Frau Margot, geborene Feist, gekommen.
Das hebt sein Buch mit dem etwas reißerischen Titel „Ich war der letzte Bürger der DDR. Mein Leben als Enkel der Honeckers“ (Insel) ab von den einschlägigen Bänden diverser Honecker-Versteher.
Buch über Erich und Margot Honecker: Enkel Roberto Yáñez berichtet authentisch
Auch wenn die nun vorliegenden Erinnerungen keine erzählerische Meisterleistung, sondern oft spröde und sprunghaft sind - authentisch ist das, was Roberto Yáñez zu berichten hat, allemal.
Im privaten Blick gewinnen die Charaktere von Margot und Erich Honecker Kontur. Nicht, dass man davon nun grenzenlos überrascht würde, die Geschichte muss nicht neu geschrieben werden.
Buch über Erich und Margot Honecker: Einblicke in das Familienleben
Auch das Heranwachsen von Kindern aus der Nomenklatura, dem inneren Kaderkreis, ist schon geschildert worden - aber dem Autor und seinem Ko-Autor Thomas Grimm gelingt es, dieses Leben nachvollziehbar zu machen - zumal an den Schnittstellen von liebevoller Zuneigung und dem Gefangensein in den Ritualen der Macht. Die Geschichte von Robertos Hund Klecks, einem eigenwilligen Kläffer und Beißer, ist ein Beispiel dafür.
Neben dem Jungen genießen auch Mutter Sonja und Opa Erich die Zuneigung des Cockerspaniels - Oma Margot hingegen nicht. Der geht er ans Bein. Also wird der Hund abgeschafft, ohne dass Roberto davon zuvor auch nur erfahren hätte. Was Margot will, ist Gesetz, daran kann auch ihr Mann nicht rütteln.
Roberto Yáñez veröffentlicht Buch: Wie Erich Honecker um seine Enkelin trauerte
Interessanter als all die Schorfheider Jagdhausgeschichten, die sich in glücklicheren Tagen vor den Jagdszenen im nahe gelegenen Lobetal abgespielt hatten, ist zweifellos, wie Roberto seine Zwitterstellung zwischen einem „normalen“ Schulkind und dem Enkel des großen Chefs erlebt hat - mit allen erwartbaren Risiken und Beschädigungen.
Der Tod der kleinen Mariana im Jahr 1988 kam hinzu. Roberto schreibt über die Bestattung seiner Schwester auf dem Friedhof Pankow: „Alle Anwesenden weinten, bis auf Großvater.“ Aber Honecker besucht das Grab seiner Enkelin regelmäßig. Schweigend, in sich gekehrt. Gefühle zu zeigen hatte er sich abgewöhnt - wohl auch aus Selbsterhaltung in den Zuchthaus-Jahren.
Erich und Margot Honecker hatten ein inniges Verhältnis zu ihrem Enkel
1990 reist die Familie Yáñez nach Chile aus - drei Jahre später folgen Margot und Erich Honecker. Beide sind gestorben, aber wo die Urnen beigesetzt werden sollen, ist unklar. „Wie Untote“ geistern die Großeltern in Robertos Träumen umher, heißt es im Buch. Beide hatten ein inniges Verhältnis zu ihrem Enkel.
Fuhr die Großmutter mit ihm Ski, lehrte Opa Erich den Jungen das Fischen und das Jagen. Letzteres gefiel Margot nicht, Robertos erster Hirsch war auch sein letzter.
„Das, was wir beide erlebt haben, war ein schöner Traum, den wir wohl nie vergessen werden“, schreibt Honecker am 5. Oktober 1992 aus dem Gefängnis Berlin-Moabit zum 18. Geburtstag von Roberto. „Sei umarmt von Deinem Opa“, schließt der getippte Brief. Eingedenk allen Unrechts, das dieser Mann zu verantworten hatte - das rührt einen dann doch.
Ich war der letzte Bürger der DDR.
Mein Leben als Enkel der Honeckers, Insel Verlag Berlin, 255 Seiten, 20 Euro
(mz)

