Einar Schleef Einar Schleef: Frage hinter der Gewissheit
Halle (Saale)/mz. - Tatsächlich hat der Dramatiker, Bühnenbildner, Regisseur und Maler, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum zehnten Mal jährte, lebenslang nach dem Ort gesucht, von dem aus die eigene - und die deutsche Geschichte zu begreifen und ertragen wäre.
Nicht von ungefähr steht eines der Schrift-Bilder Schleefs, der 1944 in Sangerhausen zur Welt kam, programmatisch im Mittelpunkt der Schau, die an die große Präsentation seiner Bilder vor drei Jahren im ehemaligen Karstadt-Kaufhaus in Halle anschließt.
"Zuhause das sind die Eltern, der Vater, die Mutter, der Schulweg, das Kino, die Dörfer, das Gestrüpp, die Stadt, die man sein Leben nicht loswird. Nie mehr zurück, das verwinden, fliehen bis man ein eigenes Zuhause hat, was einen erstickt und auffrißt."
Niemals hat ihn die Beschäftigung mit Sangerhausen, mit dem eigenen Herkommen, verlassen, so weit ihn sein ruheloses, immer das Äußerste an Ausdruck suchende Künstlertum auch geführt hat. Gestartet als Maler und früh der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee verwiesen, bekam Schleef 1967 eine zweite Chance im Fach Bühnenbild.
Damit war der Weg frei zum Theater, das ihm zum eigentlichen Ausdrucksort werden sollte - als Regisseur, Autor und Bühnengestalter. Gezeichnet und gemalt aber hat Schleef weiter, die beachtlichen Zeugnisse dieser Arbeit sind freilich lange Zeit eher weniger beachtet und als minder wichtig angesehen worden. Zu Unrecht, wie man in der Moritzburg nun einmal mehr feststellen kann.
Schleef, der am 21. Juli 2001 in Berlin an Herzversagen gestorben ist, hat in seinen Bildern eine Art Tagebuch geschaffen, dabei zeigt sich schon in den frühen Arbeiten, mit welcher handwerklichen Sicherheit und welchem stilistischem Gespür der Künstler unterwegs war. Und wie genau er beobachtet hat, was um ihn herum - und ihn ihm selber vorging.
Eine ganze Reihe von Bildern widmet sich dem Thema Mauer. Schleef, der 1976 nach wiederholten politischen Widerständen gegen seine Arbeit in der DDR von einem Arbeitsaufenthalt in Wien nicht in den Osten zurückkehrte, hat danach seinen Wohnsitz in Westberlin genommen. Die geteilte Stadt, das geteilte Land ließen ihn nicht los. "Selbst vor der Mauer", entstanden in den 80er Jahren, zeigt einen Mann im Mantel, die Schultern hochgezogen, als fröre er im Angesicht dieses grotesken, menschenfeindlichen Bauwerks. Ein anderes Bild, 1979 gezeichnet mit Filzstift und Farbe auf einen Bogen Zeitungspapier, spielt mit der Insellage Westberlins.
Eine Firma bietet hier ihren "Flying Car Service" an, der dem Reisenden die komfortable Überführung des eigenen Wagens an den Urlaubsort verspricht, im Vordergrund zeigt Schleef comicartig abermals einen Mann in Betrachtung der Mauer und der Peitschenlampen auf der Ostseite.
Abermals, wie schon in der halleschen Schleef-Retrospektive von 2008, nimmt auch in der aktuellen Schau das Thema der Einsamkeit und der Sehnsucht nach Kommunikation einigen Raum ein. Telefonzellen und Figuren in menschenleerer Stadtlandschaft halten ein Lebensgefühl fest, das über die vergangene Zeit und auch jenseits des Mauerfalls von großer Gültigkeit bleibt, nicht nur historische Reminiszenz. Nicht weniger bemerkenswert sind die früh, um das Jahr 1970 gezeichneten Porträtstudien aus einer Ostberliner Kneipe namens "Langer Arm". Neben dem ausgeprägten Talent des Künstlers erweist sich hier sein sozialer Scharfblick, mit dem er später auch in seinen Texten die Charaktere seiner Figuren gleichsam mit wenigen Strichen, in prägnanter Sprache festzuhalten verstand.
Und schließlich zeigen die Reisebilder Schleefs einen Mann, der das Besondere, also auch das offiziell eher Randständige der bürgerlichen Gesellschaft wahrgenommen und ohne Scheu aufgenommen hat. So hat er Prostituierte in Frankfurt am Main und Szenen vom Table-Dance gemalt, die ihm in den USA Eindruck gemacht haben müssen. Landschaften, sowohl die frühen seiner Jugendjahre als spätere von den Reisen nach Dänemark komplettieren das Bild von der Bildwelt Einar Schleefs.
Er selbst habe den Zeichnungen und Gemälden womöglich weniger Wert beigemessen, ist schon vermutet worden. Die Beharrlichkeit indes, mit der Schleef Themen wieder aufgenommen und neu begonnen hat, spricht dagegen. Ein Verfahren ist dies, das er im Übrigen auch in seinen Texten praktiziert hat.
Die jeweils letzte Gewissheit war nie die endgültige für ihn, hinter der Tür war stets noch eine weitere zu öffnen. Und immer diese Suche nach dem Zustand, der Zuhause genannt sein dürfte.
Bis 15. Januar, Di 10-19, Mi-So und feiertags 10-18 Uhr, am 24. und 31.12. geschlossen , Eintritt 5, erm. 3 Euro.