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Einar Schleef Einar Schleef: Der Klang der Totentrompeten

Von ANDREAS HILLGER 30.09.2011, 18:43

SANGERHAUSEN/MZ. - Sein zehnter Todestag liegt zwar schon zwei Monate zurück, in Sangerhausen aber richtet man Einar Schleef jetzt noch ein großes Fest aus. In der kommenden Woche erinnert die Stadt, in der das Multitalent 1944 geboren und 2001 begraben wurde, unter dem Motto "Vor uns das verhießene Land" an ihren großen Sohn - und nicht zuletzt auch an dessen Mutter Gertrud. Bereits seit Juni wirbt im Europa-Rosarium von Sangerhausen eine Klanginstallation mit Texten von Einar Schleef und Liedern aus seinen Inszenierungen für das von der Kulturstiftung des Bundes maßgeblich geförderte Projekt. Ab Mittwoch wird es dann Ausstellungen, Theateraufführungen, Lesungen und Wanderungen zu Schleefs Leben und Werk geben - ein pralles Paket, das ein Arbeitskreis unter Federführung von Schleefs einstigem Lehrer Dieter Wrobel geschnürt hat.

Junge und alte Akteure

Auffällig ist die rege Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, denen der ganze erste Festivaltag gewidmet ist. Neben der Präsentation eines Plakat-Wettbewerbs, bei dem Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums u. a. Entwürfe zu Schleefs Kinderstück "Der Fischer und seine Frau" einreichen konnten, wird es auch eine Aufführung dieser Grimm-Adaption geben - von Kindern für Kinder. Zudem proben Sangerhäuser Jugendliche derzeit ihre Teilnahme an dem Stück "Abschlussfeier", das als Gastspiel des Anhaltischen Theaters Dessau und des Maxim-Gorki-Theaters Berlin das Finale am 9. Oktober um 19.30 Uhr krönt - eine Inszenierung des Schleef-Experten Armin Petras, der zum zweiten Mal eine Arbeit in Sangerhausen präsentiert.

Erstmals zu Gast ist der Regisseur Ernst M. Binder, der in den 90er Jahren die Uraufführungen von Schleefs "Totentrompeten"-Trilogie in Graz und Schwerin inszenierte - und der nun mit seinem österreichischen Ensemble am 7. Oktober um 20 Uhr das Finale "Gute Reise auf Wiedersehen" nach Sangerhausen bringt. Der Schauplatz des Gastspiels, das zuvor bei der Ruhr-Triennale gezeigt wurde und am 11. Oktober um 19.30 Uhr auch in der Landesbühne Eisleben gastiert, hat als Spielstätte bereits Tradition: In der Gaststätte Herrenkrug hatte beim "Schleef-Block I" im Jahr 2004 André Bückers Collage "Kein schöner Land" Premiere.

Flankiert werden diese zentralen Ereignisse durch Ausstellungen, die sich den Theaterplakaten zu Einar Schleefs Inszenierungen (Aula des Geschwister-Scholl-Gymnasiums) und seinem bildnerischen Werk aus dem Bestand des Landeskunstmuseums Moritzburg Halle (Spenglermuseum) widmen. In den städtischen Sammlungen, deren Zentrum das Mammut-Skelett von Sangerhausen bildet, wird auch die Dauerausstellung des Schleef-Zentrums renoviert - als multimediales Angebot, das auch den begehbaren Stadtplan erschließt, den Einar Schleef von seiner Heimatstadt entworfen hat. Zudem findet hier am Samstag um 20 Uhr die Performance der Gruppe "Dramazone" statt, die Sangerhäuser und auswärtige Gäste "Auf einen Toast: Einar Schleef" einlädt.

Pilzwanderung zu Gertrud

Neben einer Lesung aus dem Briefwechsel zwischen Einar und Gertrud Schleef (8. Oktober, 16 Uhr, Marienkirche), für die u. a. die Schauspielerin Ursula Werner angekündigt ist, wird einer der originellsten Programmpunkte an die resolute Mutter des Dichters und Malers, Regisseurs und Darstellers Schleef erinnern. Am Sonntag bittet um 9 Uhr der Pilzsachverständige Jürgen Peitzsch zur "Wanderung zu Gertruds Totentrompeten" - eingedenk der Tatsache, dass Gertrud Schleef eine passionierte Pilzsammlerin war und auch in ihrer Korrespondenz mit dem erst in Ost-Berlin, ab Mitte der 70er Jahre in Westdeutschland lebenden Sohn immer wieder von ihren Funden berichtet hat. Dieser Passion ist nicht zuletzt der Dramentitel "Totentrompeten" geschuldet. Dem Briefwechsel hingegen kommt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Schleefs großem Roman "Gertrud" zu, der Sangerhausen auf die literarische Landkarte des 20. Jahrhunderts hob.

Dass man ihn für den schonungslosen Text vor Ort nicht nur geliebt hat, wird wohl auch während des Festivals wieder Thema sein. Symptomatisch aber der Titel, den die Moritzburg ihrer Schau gegeben hat: "Wovor bin ich weg gelaufen? Alles hat mich eingeholt".