Ein junges Paar erklärt dem Krebs den Krieg
Halle (Saale)/MZ. - Ein Paar in Paris, jung und cool, das Kind ist fast ein bisschen früh gekommen, denkt man, denn sie sind zwar wahnsinnig verliebt, aber noch scheinbar unfertig, gehen jeden Abend auf Partys, haben sich selbst im Kopf. Dann trifft Juliette und Roméo der reine Horror: Adam, ihr gerade mal eineinhalbjähriger Sohn, hat Krebs!
Überaus leidenschaftlich verfolgt der Film die Reaktionen der Eltern, ihrer Freunde und der Familie. Er zeigt, wie Juliette und Roméo um ihren Sohn ringen, aber auch darum, dass ihr eigenes Glück nicht ganz von der bösen Krankheit aufgefressen wird. Valérie Donzelli und Jérémie Elkaim, die beide gemeinsam das Drehbuch schrieben und die Hauptrollen spielen - Regie führte Donzelli allein -, gelingt ein beeindruckender Drahtseilakt: Sie machen einen heiteren, über weite Strecken gut gelaunten, dabei nie schönfärberischen Film über ein trauriges Thema. Das hebt ihn weit hinaus über das Niveau eines bloßen Betroffenheitsstücks.
Die Ursache für diese Glanzleistung ist womöglich, dass Valérie Donzelli und Jérémie Elkaim eine Geschichte erzählen, die autobiografisch grundiert ist: Sie waren selbst ein Paar, ihr Sohn Gabriel erkrankte schwer an Krebs.
Ihr Film lebt nicht zuletzt von der Spannung, ob der Junge überleben wird - und diese Spannung soll hier nicht genommen werden. Aber er lebt genauso davon, dass es selbst für jene, die als Kranke oder Angehörige unmittelbar von solchen lebensgefährlichen, über Jahre akuten Krankheiten betroffen sind, auch ein Leben jenseits der Krankheit gibt. Von den filmischen Mitteln her balanciert der Film genau auf jenem schmalen Grad, auf dem offenbar nur das französische Kino das Gleichgewicht hält: sehr gefühlvoll, aber nicht kitschig, ernst aber nicht beflissen, heiter, aber nicht unangemessen albern.
Wenn es so etwas wie Action der Gefühle geben sollte, dann ist dieser Film ein emotionaler Actionfilm. Allenfalls mit der Musik wird manchmal etwas übermäßig herumgeworfen: Vivaldis "Vier Jahreszeiten" und französische Pop-Songs lösen einander ab.
Darf man so mit Krebs umgehen? Nur deutsche Kritiker können so etwas fragen. In Frankreich heißt der Film übrigens "La guerre est declarée", zu deutsch: "Der Krieg ist erklärt." Das ist ein guter Titel, denn er transportiert den Ernst des Kampfes, aber auch die Leidenschaft des Films. Dass sich der deutsche Verleih für "Das Leben gehört uns" entschieden hat, ist vor diesem Hintergrund unverständlich, zumal dieser Titel vergeben ist: An Jean Renoirs humanistischen Arbeiterfilm von 1936.
Das Leben gehört uns
Tragikomödie, F 2011, Regie: Valérie Donzelli
fsk: ab 6 Jahre
Der Film startet u. a. im LuxPuschkino Halle, Kard.-Albrecht-Str. 6.