1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. «Dresden 1719»: «Dresden 1719»: Prächtige Party der Planeten

«Dresden 1719» «Dresden 1719»: Prächtige Party der Planeten

Von ANDREAS HILLGER 31.05.2011, 15:22

Halle (Saale)/MZ. - In der Abgrenzung zu Preußens Gloria ist Sachsens Glanz längst sprichwörtlich geworden, ihre größte Entfaltung aber hat diese Pracht wohl im September des Jahres 1719 gefunden. Damals wurde in Dresden die Hochzeit zwischen Kurprinz Friedrich August II. und der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha gefeiert - und August der Starke, Vater des Bräutigams, tat alles, um die Stadt und den Erdkreis mit seiner Kraft und seinem Reichtum zu beeindrucken.

Demonstration des Reichtums

Das hatte wohl nur indirekt mit der Liebe zu seinem Sohn zu tun, im Kern ging es dem vom sächsischen Kurfürsten zum polnischen König aufgestiegenen Herrscher um weiteren Machtgewinn. Nichts Geringeres als die Kaiserkrone wollte er seiner Familie sichern - und dafür war die Demonstration des Reichtums unerlässlich. Also glich bereits die Anreise der jungen Braut einem Triumphzug: Eine Prunkgondel brachte sie von Pirna her bis Blasewitz, wo sie in einem Zeltlager empfangen wurde. Nach einer einwöchigen Erholung von der strapaziösen Reise, die überwiegend mit Banketten, Bällen und Theateraufführungen ausgefüllt wurde, begannen am 10. September die eigentlichen Feierlichkeiten, die als "Planetenfeste" in die Geschichte Sachsens eingingen. Zentrum des Geschehens war der Dresdner Zwinger, eingeleitet wurde das Spektakel mit einer eigens komponierten Serenade von Johann David Heinichen.

Was ein 34-jähriger Kollege des Hofkapellmeisters von dem Werk hielt, ist nicht überliefert. Immerhin hatte er sich auf Geheiß seines Arbeitgebers einer weiten Reise unterzogen, um vor Ort ein wenig Werksspionage und Werbung in eigener Sache zu betreiben. Der Herzog von Newcastle höchstselbst hatte Georg Friedrich Händel den Auftrag erteilt, für den Aufbau einer eigenen Londoner Opern-Compagnie fähige Sänger aus Italien zu engagieren. Und wo wären die leichter zu finden gewesen als am Hot Spot des geselligen Europa?

Immerhin standen bei August dem Starken Sänger wie der Kastrat Senesino und der Bass Guiseppe Boschi unter Vertrag - Solisten, die Händel teilweise selbst schon in Italien gehört hatte. In Dresden vernahm er ihre Stimmen u. a. in Antonio Lottis Uraufführung von "Teofane", die perfekt zum freudigen Anlass zu passen schien. Schließlich ging es darin um eine weit gereiste Prinzessin, die einen großen Herrscher heiraten sollte ... Dass auch Händels Freund Georg Philipp Telemann ein Zaungast der Feierlichkeiten war und später eine eigene Fassung von Händels Vertonung des gleichen Librettos anfertigen sollte, zeigt die gute Vernetzung der barocken Meister - und spiegelt sich nun auch im Festspiel-Programm, das "Teofane" und den anderen "Ottone" um dessen Erstaufführung nach der Hallischen Händel-Ausgabe gruppiert.

Doch zurück nach Dresden, wo auch der in solchen Dingen durchaus verwöhnte Händel eine neue Qualität der Prunkentfaltung bestaunen durfte. Denn das, was hier geboten wurde, holte buchstäblich den Himmel auf die Erde: In bester allegorischer Manier wurde jedem der damals bereits entdeckten und als Sinnbild eines antiken Gottes identifizierten Himmelskörper ein eigenes Fest gewidmet.

Von Apoll bis Saturn

Den Auftakt machte Apoll, der am Ufer der Elbe die Geschichte der Argonauten nachstellte. Ihm folgte der Kriegsgott Mars, der selbstverständlich zu einem großen (und nicht ungefährlichen!) Turnier bat. Jupiter hingegen setzte ein Karussell der Elemente in Gang, das von nicht weniger als 637 Menschen und 429 Pferden dargestellt wurde - August der Starke und sein Sohn mittendrin. Als Schutzpatronin der Jagd sorgte Luna alias Diana für ein gewaltiges Gemetzel unter 400 Hirschen, Rehen und Wildschweinen. Und nachdem Merkur einen Markt veranstaltet hatte, auf dem allein Geschenke in Höhe von 60 000 Reichstalern verteilt worden waren, wurde in der Venus die Macht der Liebe angebetet. Zum Finale schließlich versammelte Saturn nicht nur rund 1 600 sächsische Bergleute als Vertreter der prosperierenden Wirtschaft - er brachte auch noch einmal alle Götter-Planeten zu einer "glücklichen Konstellation" zusammen, die natürlich niemand Anderem als dem sächsischen Herrschergeschlecht der Wettiner galt.

Diese Haupt- und Staatsaktion dürfte dem Machtkünstler Händel durchaus gefallen haben - immerhin hatte er seinem englischen König Georg bereits selbst eine "Wassermusik" beschert und sollte später auch eine Suite für die Royal Fireworks komponieren.

Triumph in London

Zunächst freilich machte er sich unverrichteter Dinge auf die Heimreise: Weil August der Starke seinen Sängern die üppig ausgestatteten Verträge verlängert hatte, sollte es noch eine Saison dauern, ehe Senesino & Co. von der Elbe an die Themse wechselten. Und weitere zwei Jahre brauchte der Komponist, bis er im Januar 1723 seinen eigenen "Ottone" auf die Bühne bringen konnte. Es wurde einer seiner größten Triumphe.

Eröffnung der Sonderausstellung:

"Dresden 1719 - Händel sucht die Superstars": 2. Juni, 16 Uhr, Händel-Haus