Dreharbeiten Dreharbeiten: Deutscher Hitler-Film betrübt manchen Russen

Moskau/dpa. - Der Schrecken und die Erinnerungen an das Leiden im Zweiten Weltkrieg kehrten für einige Tage zurück in die einst sowjetische Stadt Leningrad, das heutige Sankt Petersburg. Hakenkreuzfahnen wehten, Männer in SS-Uniformen hoben den Arm zum Hitlergruß, und Zivilisten irrten im Granatendonner durch die Straßen. Im heruntergekommenen Petersburger Admiralitätsviertel drehte der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel im September einige Szenen für seinen Film «Der Untergang» über Hitlers letzte Tage in Berlin und das Ende des so genannten Dritten Reiches.
Nirgendwo in Europa lasse sich eine derart überzeugende Kulisse für das zerstörte Berlin in den letzten Kriegstagen 1945 finden, begründete das Produktionsteam um Bernd Eichinger seine Entscheidung. Doch das einstige Leningrad ist nicht nur eine Stadt mit imposanter Architektur, sondern zugleich auch eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Nazi-Diktatur.
Bis heute ist der Kriegsterror der Deutschen in Russlands zweitgrößter Stadt nicht vergessen. Etwa eine Million Menschen starben in dem von der Wehrmacht und deren Verbündeten in den Jahren 1941 bis 1944 um die Stadt gezogenen Blockadering. Bis in die Stadtmitte von Leningrad schafften es die Okkupanten aber nicht.
Weniger als die Dreharbeiten sorgt in Russland der Zustand der ausgewählten Schkapina-Straße für Verärgerung. «Diese "prächtigen Kulissen" bieten sich den deutschen Kinoleuten, weil die Stadtverwaltung das Admiralitätsviertel in Sankt Petersburg hat herunterkommen lassen», schrieb die Zeitung «Komsomolskaja Prawda».
Die Entscheidung der Constantin Film für St. Petersburg sei ein Schock für die Bürger, kommentierte das Wochenjournal «Kommersant Wlast». Noch im Mai hatte sich die Stadt herausgeputzt und mit Staatsgästen aus aller Welt ihren 300. Geburtstag gefeiert. «Man muss es als Tatsache akzeptieren: Petersburg sieht aus wie eine von Straßenkämpfen heimgesuchte Stadt», urteilte das Journal.
Bei den Dreharbeiten in St. Petersburg ließ sich für manchen Darsteller ein ungutes Gefühl nicht verdrängen. Er sei froh, von dort wieder wegzukommen, bekannte der Schauspieler Bruno Ganz, der Adolf Hitler im Film spielt. «Ich wäre gern länger in St. Petersburg, aber ohne deutsche Uniform und ohne Hitler.»
Russland habe im Zweiten Weltkrieg schwer geblutet. Es sei unangenehm, diese Art der Erinnerung wachzurufen, sagte Ganz während einer Drehpause in einem Fernsehinterview. Das Drehbuch basiert auf dem Buch «Der Untergang» von Joachim Fest sowie auf den Erinnerungen von Traudl Junge, Hitlers Sekretärin. Der Film soll im Herbst 2004 in die deutschen Kinos zu kommen.
Überlebende der 900 Tage dauernden Blockade scheinen keine Probleme mit dem deutschen Kinoprojekt zur Aufarbeitung des Hitler- Regimes zu haben. «Es ist sehr symbolisch und sehr richtig, dass die Deutschen diesen Film in Leningrad drehen. Möge er dazu beitragen, dass es nie wieder zu einem Krieg kommt», sagte Walentina Leonenko der dpa. Die 78-jährige Frau ist Präsidentin der Internationalen Organisation der «Blokadniki», der Blockadeopfer. Als die Deutschen 1941 die Sowjetunion überfielen, war Leonenko 16 Jahre alt und arbeitete als Krankenschwester in Leningrad.
Die Tageszeitung «Rossijskaja Gaseta» bescheinigte der Filmcrew aus Deutschland ein tadelloses Auftreten in der Schkapina-Straße. «Die Deutschen haben ganz korrekt den Besitzern von Kiosken, Cafés und sogar einer angrenzenden Bibliothek Schadensersatz für die zwei Tage Dreharbeiten gezahlt», lobte das Blatt. Außerdem hätten die Deutschen nach dem Abschrauben der Film-Dekorationen alle Fenster im Erdgeschoss putzen lassen. «Diese glänzen jetzt im Kontrast zu den anderen, zugestaubten Wohnungsfenstern in den Etagen darüber», notierte die Regierungszeitung.