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Dirk Michaelis Dirk Michaelis: Welthits auf Deutsch

Von Steffen Könau 04.12.2013, 07:15
Dirk Michaelis hat ein zweites Album mit eingedeutschen Welthits vorgelegt.
Dirk Michaelis hat ein zweites Album mit eingedeutschen Welthits vorgelegt. Archiv Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Seinen eigenen Platz in der Musikgeschichte hat sich Dirk Michaelis früh gesichert. Gerade zwölf Jahre ist der gebürtige Karl-Marx-Städter alt, als ihm die Melodie einfällt, die 1989 klingen wird wie der Soundtrack zum Untergang der DDR: „Als ich fortging“ heißt die Komposition aus dem Kinderzimmer nun, Michaelis singt sie mit der Band Karussell, deren Chef ihn ans Mikrofon geholt hat, weil der vorige Sänger während einer Westtour beschloss, nicht in die DDR zurückzukehren.

Der Gruppe Karussell, nach einigen bewegten Jahren kriselnd, beschert der Song einen Hit. Und Dirk Michaelis, bis dahin hauptberuflich Krankenpfleger und Kindergärtner und nur nebenbei Musiker, wird durch ihn zum Star der DDR-Rockszene.

Allerdings trägt dieser Status nicht weit über den Mauerfall. Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen arbeitet Michaelis, inzwischen bei Karussell ausgestiegen, auch nach dem Ende der DDR beharrlich weiter. Doch es sind nicht mehr die großen Bühnen, auf denen er steht und „Rockchansons“ vorträgt, wie er seine Mischung aus Balladen und Rock, Geschichtenliedern und Klassikern nennt. Und über allem strahlt immer noch dieses „Als ich fortging“, das das Zeug zum Welthit gehabt hätte, wäre es nur in einem anderen Land, in einer anderen Zeit, in einem anderen Kinderzimmer zur Welt gekommen.

Jungenhaftes Lächeln

Dirk Michaelis, ein schmaler Mann mit blondem Haar, blauen Augen und einem jungenhaften Lächeln, hat ziemlich genau zwei Jahrzehnte gebraucht, um wieder dorthin zu kommen, wo er herkam. Das Album „Dirk Michaelis singt... Welthits auf Deutsch“, ausgedacht und eingespielt in einer großen Lebenskrise nach dem Tod eines engen Freundes und Kollegen, beschert dem Sänger, Gitarristen und Komponisten vor zwei Jahren einen grandiosen Erfolg: Unfähig, in der damaligen Zeit selbst Songs zu schreiben, hat Michaelis einfach Stücke von Sting und Paul McCartney, aber auch von jüngeren Künstlern wie Snow Patrol und Razorlight eingedeutscht und zusammen mit seinem Produzenten Ingo Politz neu eingespielt. Plötzlich wurden die Hallen wieder größer, die Verkaufszahlen stiegen - wie damals mit seinem Abschiedslied, das als Abschiedslied auf die DDR verstanden worden war, hatte Dirk Michaelis offenbar wieder den Zeitgeist getroffen. Grund genug für den inzwischen 52-Jährigen, mit „Dirk Michaelis singt Nr. 2“ einen Nachfolger vorzulegen. Diesmal widmet sich Michaelis unter anderem Songs von Tanita Tikaram, U2, Tom Petty und REM, dazu stellt er mit „Der gute Geist“ und „Morgenrot“ zwei gleichwertige Eigenkompositionen.

Ein Moll-Album, das zum Winter passt wie ein warmer Mantel. Michaelis’ Sound, mit dem Gitarristen Jörg Weißelberg, Bassmann Benny Demelein und Ingo Politz am Schlagzeug gebastelt, ist wieder kuschelig, der Ton verhalten und sanft.

Nicht selbst ausgewählt

Hier wird nicht nachgespielt oder gecovert, sondern nachempfunden, nachgedichtet und interpretiert. Tikarams „Twist in my Sobriety“, ein Hit im Jahr 1988, heißt jetzt „Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein“, die „Felder der Zerstörung“ aus „Brothers in Arms“ von den Dire Strait werden zu verwüstender Erfahrung und in der Schmerzenshymne „Everybody Hurts“ lässt Haupttexter Michael Sellin Feigheit, Wut und Schweigen übernehmen, wo im Original bei Michael Stipe nur von Einsamkeit und Alleinsein die Rede ist. Erstaunlich ist, wie Michaelis die unterschiedlichen Gesangsstile der Originalinterpreten meistert. Die expressive Dramatik von Bono Vox in „One“ von U2, das schüchterne Flüstern von Tom Odell in „Another Love“ oder Tom Pettys geschmeidiges Säuseln in „Learning to Fly“ - Michaelis schafft es, die Anmutung der Originale zu erhalten, selbst wenn sie wie bei Tracy Chapmans „Baby can I hold you“ weit weg sind von seiner „Als ich fortging“-Stimme.

Dabei hat der Wahlberliner die Vorlagen für sein zweites Coveralbum nicht einmal selbst ausgewählt wie damals beim ersten Anlauf. Kollegen, Freunde und Fans machten Vorschläge, unter anderem wünschten sie sich das von Gisela Steineckert neu getextete Richard Marx-Werk „Right Here Waiting“, das jetzt „Für immer und gleich“ heißt. „So ist quasi die erste frei gewählte CD der Welt entstanden, ein Wunsch-Dir-was-Album“, beschreibt Dirk Michaelis selbst. Denn so groß auch die Namen, deren Musik der frühere Karussell-Frontmann und Mitgründer der 3Highligen mit Dirk Zöllner und André Herzberg hier ganz neu interpretiert, so nahe ist Michaelis bis heute seinem Publikum. In den sozialen Netzwerken lädt er selbst zu seinen Konzerten ein, sind die beendet, steht er meist für eine Gespräch zur Verfügung.

Eine Erfahrung, die Andrea Schröder vom Hettstedter Humboldt-Gymnasiums gerade erst machen durfte. Nach einem Konzert in Eisleben sprach die Musiklehrerin Dirk Michaelis einfach darauf an, ob er sich nicht vorstellen könne, zusammen mit dem Schulchor ein Benefiz-Konzert für Leukämiekranke in der Hettstedter Jakobikirche zu spielen. Michaelis konnte - kommende Woche kommt er, der Mann, der einst fortging.

Konzerttermine:

13. Dezember Hettstedt, Jacobikirche

15. Dezember Magdeburg, City Carré

8. Januar 2014, Halle, Steintor-Variete