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Dirigent Dirigent: Vor 50 Jahren starb Wilhelm Furtwängler

Von Hilmar Bahr 25.11.2004, 08:01
Der Dirigent und Komponist Wilhelm Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern bei einem Konzert anlässlich des Presse- und Funkballs in Berlin (Archivfoto vom 09.02.1952). Vor 50 Jahren starb Furtwängler am 30. November 1954 im Alter von 68 Jahren in Baden-Baden. (Foto: dpa)
Der Dirigent und Komponist Wilhelm Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern bei einem Konzert anlässlich des Presse- und Funkballs in Berlin (Archivfoto vom 09.02.1952). Vor 50 Jahren starb Furtwängler am 30. November 1954 im Alter von 68 Jahren in Baden-Baden. (Foto: dpa) dpa

München/Baden-Baden/dpa. - Für Sergiu Celibidache war WilhelmFurtwängler der «Erste, der Letzte, der Einzige, der Musik wirklich empfunden» habe. Er sei nicht nur ein Musiker, ein Dirigent, er seiein Schöpfer gewesen, lobte der langjährige Chef der MünchnerPhilharmoniker einmal sein großes Vorbild, dessen Nachfolger bei denBerliner Philharmonikern er gerne geworden wäre. Der BayerischeRundfunk erinnert mit einem erst in diesem Jahr aus verschiedenenBandkopien rekonstruierten Mitschnitt von Furtwänglers Salzburger«Don Giovanni» von 1953 an die «Taktstocklegende». Auch derSüdwestrundfunk widmet Furtwängler einen Programmschwerpunkt mit 14Sendungen. Der berühmte Dirigent starb vor 50 Jahren, am 30. November1954, im Alter von 68 Jahren in einem Sanatorium bei Baden-Baden aneiner Lungenentzündung.

Auch der Musikkritiker Joachim Kaiser sieht in Furtwängler denüberragenden Dirigenten dieses Jahrhunderts, der tiefsinniger,dramatischer, philosophischer dirigiert habe als jeder andere.Niemand könne seine Gebärde und visionäre Wahrhaftigkeit wiederholen,schrieb Kaiser einmal. Er habe Furtwängler in den Jahren von 1942bis 1954 in Berlin erlebt, «wie er riesig, zitternd vor innererErregung, aber gar nicht nervös vor seinem Orchester stand - einJupiter mit kahlem Haupt».

Zeitungen titelten zur Beisetzung Furtwänglers vor 50 Jahren:«Eine Trauergemeinde aus allen Teilen der Welt hat in Heidelberg vonDeutschlands größtem Dirigenten Abschied genommen.» Und in derTodesanzeige des Berliner Philharmonischen Orchesters, an dessenSpitze er seit 1922 drei Jahrzehnte gestanden hatte, hieß es: «UnterWilhelm Furtwängler konnte das Orchester eine einzigartige Blütezeiterleben. Die Lücke, die der Tod Wilhelm Furtwänglers in daseuropäische Musikleben und insbesondere in das BerlinerPhilharmonische Orchester gerissen hat, wird schwerlich wieder zuschließen sein.»

Der in Berlin geborene Furtwängler wuchs in München auf, wo seinVater einen Lehrstuhl als Archäologe hatte. Die Atmosphäre imhochgebildeten Elternhaus war humanistisch geprägt. Wilhelm genossPrivatunterricht; zu seinen Lehrern zählte der berühmte ArchäologeLudwig Curtius. Mit 17 Jahren schrieb er seine erste Symphonie, dieer drei Jahre später als Korrepetitor am Stadttheater in Breslauselbst aufführte. Noch im selben Jahr (1906) dirigierte Furtwänglerin München mit den Philharmonikern erstmals Anton Bruckners NeunteSymphonie.

Nach Kapellmeister-Stationen in Straßburg und Lübeck wurdeFurtwängler 1915 Operndirektor in Mannheim. In den 20er Jahrendirigierte er das Leipziger Gewandhausorchester und leitete in derNachfolge von Arthur Nikisch von 1922 bis 1946 und von 1947 bis zuseinem Tode die Berliner Philharmoniker. In den 30er Jahren war erauch künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele und Direktorder Berliner Staatsoper, gab beides aber wegen dernationalsozialistischen Kulturpolitik auf.

Furtwänglers Entschluss, im nationalsozialistischen Deutschlandweiterzuarbeiten, war umstritten. Der langjährige Intendant derBerliner Philharmoniker, Wolfgang Stresemann, meinte in seinenErinnerungen, Furtwängler habe die «innere Emigration vorgezogen»und sich schützend vor seine Musiker gestellt. So habe er diePhilharmoniker vor dem Verfall bewahrt. Auch habe er Mut undZivilcourage bewiesen, wenn er für den Komponisten Paul Hindemithoder für jüdische Künstler eingetreten sei.

Die Wirkung Furtwänglers beruhte nach dem Urteil Kaisers in ersterLinie auf seiner Hingabe an die Musik, seiner Übereinstimmung mit demjeweiligen Werk. Jede seiner Wiedergaben wurde zu einem«faszinierenden, zu Herzen gehenden Erlebnis». Und was Furtwänglereinmal über Brahms sagte, könnte auch für ihn selbst gelten: «Brahmsgelang jene rätselhafte Synthese von subjektiver Eigenart undobjektiver Verwirklichung, jene Verbindung von scheinbar individuellbegrenzter Natur und schrankenloser Hingabe an Höheres und uns alleVerbindendes.»