Dietrich Schwanitz Dietrich Schwanitz: Gefeierter Autor und viel geschmähter Professor
Hamburg/dpa. - Über Jahre war derAnglist in fast jeder Talkshow zu sehen, äußerte sich zu allenerdenklichen Themen, ob Sex am Arbeitsplatz oder Krisen imKulturbetrieb. Lange vor jeder Pisa-Studie prangerte er gnadenlos dieBildungsmisere in Deutschland und die Missstände vor allem an denUniversitäten an.
«Die Universität ist eine Veranstaltung zur wechselseitigenBehinderung aller», meinte Schwanitz einmal. Der Professor ohneFurcht vor den Niederungen der Komik und der Banalität derMassenmedien schrieb sich in seinen Romanen auch den eigenen Frustvon der Seele. «An Universitäten herrscht Kartellbildung durchGremien und Seilschaften. Jede Selbstkritik ist da verboten, und wersich selbstkritisch äußert, gilt als reaktionär», sagte Schwanitz ineinem dpa-Gespräch 1998. Als der «Campus»-Roman erschien, der spätermit Heiner Lauterbach in der Hauptrolle verfilmt wurde, reagiertenviele Akademiker-Kollegen mit Entrüstung. «Ich wurde beschimpft undbekam hasserfüllte Briefe.»
Mit seinem vorzeitigen Ruhestand zog er sich 1997 endgültig dieAblehnung der Hochschulszene zu. Viele Professoren warfen ihm vor, erwolle auf Staatskosten seinen Hobbys nachgehen. Schwanitz - schondamals schwer krank - eröffnete 2003 im südbadischen Hartheim ein«Zentrum für Kreative» mit Experimentierbühne und Workshops fürkreatives Schreiben. Autoren in Deutschland würden viel zu weniggefördert, fand der schillernde Akademiker, dessenHabilitationsschrift schon den vielsagenden Titel trug: «DieWirklichkeit der Inszenierung und die Inszenierung der Wirklichkeit».
Bereits seine Kindheit trug Züge eines Romans: Schwanitz wurde am23. April 1940 in Werne im Ruhrgebiet als drittes Kind einesLehrerehepaars geboren. Als die Mutter sich auf die Suche nach der imKrieg verschollenen Familie machte, schickte sie ihn mit dem RotenKreuz in die Schweiz, wo er drei Jahre bei mennonitischen(evangelische Glaubensgemeinschaft) Bergbauern ohne Schulbesuchaufwuchs. 1950 kehrte Schwanitz zu seinen Eltern zurück und trat -ohne richtig lesen und schreiben zu können - ins Gymnasium ein. DerDirektor sah in ihm eine Art modernen Kaspar Hauser und förderte ihn.
Zum Abitur war Schwanitz Klassenbester. 1959-1965 studierte erAnglistik, Geschichte und Philosophie in Münster, London undPhiladelphia. Dem Staatsexamen 1965 folgte drei Jahre später diePromotion über George Bernard Shaw in Freiburg. 1975 habilitiertesich Schwanitz dort. Die fundamentalistisch-puritanische Traditionder Schweizer Mennoniten fand Schwanitz im englischen Puritanismuswieder und erklärte damit selber seine Begeisterung für die englischeKultur.
Von 1978 bis 1997 lehrte er als Professor für Englische Literaturan der Hamburger Universität. Mit dem 1995 erschienenen «Campus» unddem drei Jahre später herausgebrachten Universitätsroman «Der Zirkel»erreichte er ein Millionenpublikum. Sein 1999 erschienenesWissenshandbuch «Bildung» wurde von Fachleuten als populistischkritisiert, verkaufte sich aber bestens.
1980 gründete Schwanitz in Hamburg eine Theatergruppe fürStudenten. 1988 erregten diese «University Players» mit einer anShakespeares Macbeth orientierten Inszenierung am DeutschenSchauspielhaus Hamburg Aufmerksamkeit: Unter dem Titel «Macbarsh»nahm das Stück aktuell Bezug auf den Skandal um den Tod des CDU-Politikers Uwe Barschel. Sein Buch «Männer» (2001), das er in der«Frankfurter Allgemeinen Zeitung» beschrieb als «Versuch, Frauen zubeobachten, wie sie Männer beobachten, um ihnen zu sagen, was sienicht sehen, wenn sie den Mann nur als misslungene Frau betrachten»,trug ihm den Ruf einer «Alice Schwarzer für Männer» ein.