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"Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner"  "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner" : Ehrenrunde auf dem Ironie-Karussell

Von Martin Weber 20.07.2014, 11:05
Frank Elstner ist der erste prominente Gast der neuen WDR-​Comedy "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von . . ."
Frank Elstner ist der erste prominente Gast der neuen WDR-​Comedy "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von . . ." WDR Lizenz

Glockengeläut und ein routiniert trauriger Pfarrer. Dazu eine Beerdigungsgesellschaft in angemessen gedämpfter Stimmung. Im offenen Sarg das berühmteste Glasauge Deutschlands, das es mitsamt seinem Besitzer dahingerafft hat. Was natürlich zu beklagen ist und dann so klingt: „Er war ein Mensch, der stets Quell der Inspiration war. Er war ein treuer Ehemann und liebevoller Vater, und er war ein verlässlicher Freund und Kollege.“ Und dann ist nichts so, wie es scheint. Weil der berühmteste Glasaugenträger Deutschlands urplötzlich doch beide Augen wieder aufschlägt, das künstliche wie das echte. Frank Elstner, längst ein Silberrücken der deutschen Fernsehunterhaltung und, wie der Off-Ton sicherheitshalber informiert, „der Erfinder von ‚Wetten, dass…?’, ist gar nicht in den ewigen TV-Jagdgründen. „Guckt doch nicht so bedröppelt“, sagt er quietschfidel, „das hier ist ‚Verstehen Sie Spaß’ fürs Fernsehen, hier sind überall Kameras versteckt.“

Ironie, randvoll mit Wahrheiten

So geht sie los, die neue Comedy-Show im WDR, die den sperrigen Titel „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner“ trägt, und das messianische Gebaren des Showmasters kann man bei allem Jux und aller Dollerei im WDR-Sinne durchaus für bare Münze nehmen. „Vielleicht ist das die Auferstehung der deutschen Fernsehunterhaltung“, sagt WDR-Intendant Tom Buhrow als einer der Trauergäste. Das soll selbstironisch wirken, ist aber eher randvoll mit Wahrheit; beim WDR setzen sie große Hoffnungen auf das neue Format, es wurde mit Geld aus dem „Innovationstopf“ realisiert. „Der Elstner hatte immer schon einen komischen Humor“, sagt Bettina Böttinger an Buhrows Seite, die in ihrer Talkshow „Kölner Treff“ seit Jahren erfolgreich Leute weglächelt, die sie nicht die Bohne interessieren – deutsche Schauspieler und Comedians zum Beispiel.

Der Rest der Trauergemeinde hat sich zu diesem Zeitpunkt längst empört absentiert, weil Erwartungshaltungen schließlich dazu da sind, um erfüllt zu werden. Wenn schon tot, dann bitte richtig und endgültig. „Humorloses Pack“ gibt der frisch auferstandene Elstner den Flüchtigen mit auf den Weg, und in diesem Moment geht einem kurz durch den Kopf, was der WDR ansonsten für humorvoll, unterhaltsam oder wenigstens sendefähig hält. Das „NRW-Duell“, in dem Bernd Stelter so bieder ist, wie es selbst Heinz Erhardt in den 60ern nie war. „Zimmer frei!“, seit 1996 auf Sendung und de facto die letzte sendereigene Innovationsrakete, nur echt mit dem selbstverliebten Gockel Götz Alsmann und der tantigen Christine Westermann. Unsägliche Rankingshows mit Thomas Bug, sogenannte Hitlisten des Westens. „Die beliebtesten Süßspeisen in Nordrhein-Westfalen“. „Die beliebtesten Kurorte in Nordrhein-Westfalen“. Und sogar, man schnalle sich an: „Die beliebtesten Kirchen in Nordrhein-Westfalen“.

Recht auf Verarschung

Wir entfernen uns aus der WDR-Realität und schalten endgültig zum neuen Format, in dem Frank Elstner als Host zum Ausgangspunkt der Comedy-Show wird. Ein neunköpfiges spielfreudiges Ensemble, dessen einzelne Namen man sich noch nicht merken muss (aber ohnehin demnächst merken wird; im Herbst sind fünf weitere Folgen geplant) freut sich über den prominenten Protagonisten in öffentlich-rechtlicher Manier. Es treten auf: Politiker, die im Fernsehrat sitzen, der Referent des Intendanten, die Gleichstellungsbeauftragte – und dann kurvt der Schwerbehindertensprecher des Betriebsrats im Rollstuhl auf die Bühne. Dort erteilt er Absolution: Jawohl, auch Witze über Behinderte dürfen gemacht werden, jeder hat das Recht auf Verarschung.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Jan Böhmermann mit der neuen Sendung im WDR zu tun hat.

Jan Böhmermann, der nicht selbst auftritt, aber als Autor und Produzent fungiert und die Grimmepreis-prämierte Firma „bildundtonfabrik“ (u.a. „Roche & Böhmermann“, „Neo Magazin“) wissen, wie man eine Anstalt wie den WDR zünftig durch den Kakao zieht. Und welche Musik dazu gespielt wird, wissen sie auch. Ein gebührenfinanziertes Orchester lässt zu Ehren von Frank Elstner die Titelmelodie von „Wetten, dass…?“ erklingen. Auf Tubas. Das ist nicht schön, aber selten.

Dämliche Erfolgsgeschichten aus dem Internet

Neben Meta-Witzen über das deutsche Farbfernsehen gibt es  – der Bandwurmtitel muss schließlich mit Inhalt gefüllt werden – jede Menge Frank Elstner. Mal in verschiedenen Live-Sketchen und Einspielfilmen, und mal knackig und schnell, mal eher länglich und mehr lauwarm als wirklich lustig. Werden so tollkühne wie alberne Behauptungen aufgestellt wie diese – „Frank Elstner ist ein Anagramm von „Wetten, dass…?“, „Frank Elstner würde niemals Krokodile essen – umgekehrt gilt das leider nicht“, „Frank Elstner ist Ehrenbürger und Besitzer seiner Heimatstadt Baden-Baden“ – ist das Format da, wo es WDR-Unterhaltungschef Siegmund Grewenig gerne hätte. Beziehungsweise: Es ist zumindest in der näheren Umgebung der legendären 70er-Jahre-Reihe „Klimbim“ – ohne auch nur ansatzweise deren Tempo und Taktung zu haben.  

Was sonst noch passiert in „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner“? Es gibt ein sehenswertes „Montagsmaler“-Revival, in dem Elstner sichtlich gern auf dem Ironie-Karussell mitfährt und diverse Runden dreht (mehr wird nicht verraten), und es werden dämliche Erfolgsgeschichten präsentiert, an denen das Internet schuld ist: Wir sehen Katzen-Content, Schmink-Tutorials und die Poetry-Slammerin Julia Engelmann (ein Lieblingshassobjekt von Böhmermann), und der 72-jährige Showdino sagt dazu „ROFL“ und „YOLO“. Das könnte lustig sein. Ist es aber nicht. Weil Frank Elstner auch bei der Imitation von Jugend-Slang nicht peinlich wirkt, sondern einfach der nette, perfekt gescheitelte und höfliche Fernsehonkel bleibt, der er schon war, als die wenigsten Fernseher eine Fernbedienung hatten.

Ein Stern am öden WDR-Himmel

Endgültig in die Hose geht das Geschehen bei „DUEILV“ (wie Stefan Raab die Show abkürzen würde) dann, als der Gag mit der Musikerkennungs-App „Shazam“ dran ist. Hinter der, so behaupten die Autoren stellvertretend für Elstner, steckt in Wahrheit eine Telefon-Hotline, und irgendwann kommt auch noch Google ins Spiel. Was nichts daran ändert, dass „Mambo No.5“ nicht von Mr. President ist und Lou Bega nichts für „Coco Jamboo“ kann, beide Lieder aber schlimm sind. Allerdings nicht so schlimm wie die Nummer, die mehr als nur eine Länge hat.

Nach hinten raus wird „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner“ aber noch mal flott. Der Showmaster sitzt höchstselbst am Flügel, und das Ensemble sinniert und schmettert im Stil eines Musicals über den Zustand des deutschen Fernsehens. So etwas funkelt am öden WDR-Himmel hell. Am kommenden Mittwoch dort im Programm: „Die beliebtesten Flüsse in Nordrhein-Westfalen“. Vielleicht hat Bettina Böttinger ja noch ein Taschentuch für ihren Chef Tom Buhrow parat. Denn das ist echt zum Heulen. 

„Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner“, Sonntag, 20. 7., WDR, 22.15 Uhr