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Die Scorpions rocken Russland

Von Wolfgang Jung 14.04.2008, 14:20

Moskau/dpa. - Scorpions-Sänger Klaus Meine (59) findet die Vorliebe des künftigen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew (42) für Rockmusik großartig.

«Besser ein Rock'n'Roller im Kreml als ein kalter Krieger», sagte der Musiker zum Auftakt einer Russland-Tournee in St. Petersburg über den Nachfolger von Amtsinhaber Wladimir Putin (55). Von ihrem Heimatort Hannover tourt die Band in diesen Tagen über St. Petersburg bis zur chinesischen Grenze. «Ans Ende der Welt und zurück», nennt Meine dies. Ihren Klassiker «Wind Of Change» über die politische Wende 1989 in Osteuropa haben die Scorpions dabei mit im Reisegepäck. «Es ist immer noch ein Song der Hoffnung. Deutsche und Russen sind sich viel näher, als manche denken», glaubt Meine.

Regen klatschte in St. Petersburg auf die riesige Eissporthalle, in der etwa 11 000 Fans die niedersächsische Gruppe begeistert feierten. Etwas fremd steht die Arena am Prospekt der Bolschewiken zwischen Plattenbauten und den Zwiebeltürmen einer orthodoxen Kirche. Hingegen wirkten die deutschen Musiker wie alte Freunde von Russlands zweitgrößter Stadt: Schon 1988 spielten sie als eine der ersten westlichen Rock-Bands im damaligen Leningrad - heute St. Petersburg. «Vielleicht hat Herr Medwedew ja eins der Konzerte gesehen», sagte Meine. Der künftige Kremlchef ist in der Stadt an der Newa geboren und bekennender Fan von Gruppen wie Deep Purple.

In einem holzvertäfelten Raum der Arena, in dem sich sonst die St. Petersburger Eishockey-Spieler umziehen, erzählte Meine, dass sich die Scorpions nach ihrer Gründung 1965 beinahe nach dem blutigsten Kapitel der deutsch-russischen Beziehungen benannt hätten. «Unser erster Produzent schlug den Namen "Stalingrad" vor, weil er glaubte, etwas Spektakuläres auf die Beine stellen zu müssen.» Viele Jahre später sei die Gruppe in Wolgograd, dem früheren Stalingrad, aufgetreten: «Das war ein sehr emotionaler Moment.» Dabei seien die Scorpions keine vorrangig politische Band: «Wir sind zunächst Musiker geworden, um Mädchen rumzukriegen. Rebellion kam erst später.»

Über Russland spricht Meine gelegentlich auch mit Gerhard Schröder, dem er in Hannover freundschaftlich verbunden ist. Wie der Altbundeskanzler appelliert der Rocker, Moskau bei der demokratischen Entwicklung Zeit zu lassen und ein freundschaftliches Verhältnis zu Russland aufzubauen. «Man sollte nichts unter den Teppich kehren. Aber vieles von dem, was vielleicht kritikwürdig ist, lässt sich leichter aussprechen, wenn man sich mit Freunden unterhält», glaubt Meine. Nach «Jahrzehnten der Erstarrung im Kalten Krieg» gingen Deutsche und Russen aufeinander zu: «Es ist ein langer Weg, der mit großer gegenseitiger Sensibilität beschritten werden sollte.»

Meine sang in St. Petersburg eine Strophe des von den Zuhörern lautstark geforderten «Wind Of Change» in Russisch und erntete frenetischen Applaus. Mehr als zwei Stunden rockten die Scorpions in der nördlichsten Millionenstadt der Welt, dann fiel der Vorhang. Die Niedersachsen geben bei ihrer bislang größten Russland-Tournee bis zum 26. April insgesamt zwölf Konzerte und reisen dabei etwa 15 000 Kilometer. Wegen der großen Entfernungen zwischen den Auftrittsorten fliegen sie in einer Spezialversion des Flugzeugtyps Tupolew Tu-154.

«Wir waren früher in Russland im Zug unterwegs, das hatte etwas von Doktor Schiwago», erzählte Meine. «Während späterer Tourneen flogen wir durch dieses Riesenreich, und auf den Flughäfen begrüßten uns tanzende Kosaken mit Wodka.» In ihren Liedern versuche die Band auch zu reflektieren, was sie in Russland erlebe. «Deutsche und Russen sollten motiviert sein, die Beziehungen zu intensivieren», unterstrich der Sänger in St. Petersburg. «Für Enttäuschung ist wirklich nicht der richtige Moment.»