Matapaloz-Festival Die Böhsen Onkelz beglücken ihre Fans in Leipzig beim Matapaloz-Festival

Leipzig - Autoreifen, alte Güterwagen, ein verschrotteter Trabant mit Armeenetz. Die üppige Wiese am Neuen Messegelände Leipzig, die zu den Böhsen Onkelz, den Hauptakteuren des Matapaloz-Festivals, führt, gleicht einem Abenteuerspielplatz.
Hier die Tattoo-Künstler, da das feuerspeiende Festival-Logo, dort die Harley-Davidsons. Am Freiluft-Pissoir wird skandiert und gesungen, pilgernde Fans stimmen sich ein. Da hört man „Ostdeutschland, Ostdeutschland“-Sprechchöre. Und auch atemlose Helene Fischer-Imitationen.
Allüberall diese schwarzen Onkelz-T-Shirts, deren Konterfei das Selbstverständnis der Band bündelt: „Gehasst, verdammt, vergöttert.“ Gegen 21 Uhr erreicht das bereits in der Luft liegende Wir-gegen-alle-Gefühl eine eruptive Massenbündelung. Die Ankündigung, wonach nun jene Kraft kommt, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, reißt auf den Tribünen alle Sitzenden vom Hocker.
Gemeinsam mit den anderen 40.000 „Neffen und Nichten“, so nennen sich die Fans, wird eine Wucht entwickelt, die an entfesselte Fußballtempel erinnert. Schon das Eröffnungsstück „Hier sind die Onkelz“ vereint all den angreifend-schunkelnden Testosteron-Charme, der im hymnischen dicke Hose-Modus durch die Reihen schwappt.
„Fahr' mit uns in den Himmel / Wir ebnen Dir den Weg / Wir öffnen Dir die Augen / Wir zeigen Dir wie's geht / Hier sind die Onkelz / Schnall Dich an/ Warum willst Du laufen / Wenn Du fliegen kannst.“
Es gibt Videoleinwände, die ihre Live-Mitschnitte in Rotlicht tauchen. Die Bühne ist im Stile des Kinofilms „Mad Max“ gestaltet, ein riesiger costa-ricanischer Würgefeigebaum überschließt sie. Am rechten Bühnenrand sieht es so aus, als würde eine Knarre auf einen Baum schießen. Und dabei von der Natur verschlungen werden.
Es gibt stadiontauglichen Deutschrock, zwischen krachenden Punk- und Metalanleihen kratzt die Stimme von Kevin Russell. Stephan Weidner, Matthias Röhr und Peter Schorowsky spielen gekonnt ihre Instrumente.
Textlich zeigt sich ein beschränktes poetisches Talent, im Song „Mach's dir selbst“ heißt es: „Wer immer tut was er schon kann / Bleibt immer nur ein halber Mann / Ich will keinen Ponyhof / Ich hasse Pferde - Risiko.“
Da gibt es eine verkürzte Kapitalismuskritik, der Song „Markt und Moral“ findet den Grund für das Schlechte der Welt in einem „elitären Kreis erbarmungsloser Wesen“. Freilich, hier könnten sich auch heute noch alle besorgten Bürger bedienen.
Zur Onkelz-DNA gehört eine Medienschelte, ein wenig Religionskritik und die immer wieder variierte Aufforderung, zu kämpfen statt zu klagen. „Oh, wie ist das schön“-Chöre, solider Rock, Selbststilisierungen und saftige Schimpfwörter. Und doch ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.
Geballte Fäuste, Stinkefinger, Kopfnicken, Abzappeln, durchgängig vermitteln die Fans eine Atmosphäre, die sich unentrinnbar über die Onkelz-Familie legt. Es ist, als würde man etwas Heiligem beiwohnen, als würde eine Messe gefeiert werden, die jedem Uneingeweihten von vornherein unzugänglich ist. Ein Familienclan.
Klar, die Historie der Band ist so wie sie ist, keine mediale Erwähnung kann ohne den Verweis auskommen, dass das Album „Der nette Mann“ 1984 wegen Gewaltverherrlichung und Idealisierung des Nationalsozialismus auf den Index kam. Hitlergrüße auf Konzerten folgten, die Band distanzierte sich mehrfach von der Skinhead-Szene.
Manche öffentlichen Reaktionen befeuern bis heute einen Mythos des Unverstandenseins, den die Onkelz-Familie dann auch spürbar stolz feiert. Da heißt es: „Manchmal ist es ganz schön hart / Doch jede eurer Lügen macht uns stark / Na, Du kleiner Scheißer hör' mir zu / Hier sind die Onkelz / Wer bist Du?“ Die Fans danken begeistert. (mz)
Das Matapaloz-Festival wird am Samstag fortgesetzt, alle Informationen, Bands und Termine unter www.matapaloz.com