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Hip-Hop-Formation Die Antilopen Gang über Alf Kommunismus und ihr neues Album - Hip Hop aus Düsseldorf

Von Thorsten Keller 20.01.2017, 10:31
Die Antilopen Gang besteht aus (von links) Panik Panzer, Danger Dan und Koljah.
Die Antilopen Gang besteht aus (von links) Panik Panzer, Danger Dan und Koljah. Robert Eikelpoth

Düsseldorf - Wenn die drei Rapper der Antilopen Gang Refrains mehrstimmig singen, hört sich das manchmal an, als wären Die Ärzte am Werk. Ziel des Chorgesangs ist es, große Gemeinheiten möglichst harmlos zu verpacken.

„Baggersee“ vom neuen Album „Anarchie und Alltag“ ist so eine Antilopen-Nummer mit Ärzte-Anmutung – und die darin verpackte Gemeinheit riesengroß. Es geht um eine grundlegende Umgestaltung unseres Landes, eine Art Morgenthau-Plan 2.0: „Wäre es nicht praktischer/ wenn da, wo vorher Deutschland war / in ein paar Jahren ein Baggersee entsteht?/Alle könnten schwimmen da/ Enten füttern, Tretboot fahren / Wär’ das nicht die Lösung des Problems?“

Das „Problem“, wie die Antilopen Gang es sieht, ist der grassierende Rechtspopulismus, und eine gesellschaftliche Atmosphäre, „in der jeder jedem egal“ ist. Das Unbehagen darüber zog sich wie ein roter Faden durch das im Herbst 2014 veröffentlichte Debütalbum „Aversion“ und gipfelte in dem Hit „Beate Zschäpe hört U2“.

Für die Antilopen Gang war diese Nummer der große Sprung aus der linksextremen Schmuddelecke, erzählt Danger Dan beim Interview in Düsseldorf: „Damit haben wir ein Mainstream-Publikum erreicht, das bestimmt nicht unsere politische Meinung teilt. In unseren Ursprüngen haben wir Musik gemacht, über die sich alle, die sie gehört haben, einig waren. Die konnte so nur im Autonomen Zentrum stattfinden. Aber das war uns irgendwann zu blöd.“

Nicht nur Konsens bei den Texten

Eine explizit linke Band ist die Antilopen Gang geblieben, auch wenn Danger Dan der gleichnamigen Partei „niemals beitreten und sie niemals wählen würde“. Der erste Song des neuen Albums („Das trojanische Pferd“) breitet selbstironisch gebrochene Weltherrschaftspläne aus, für die sich die Antilopen Gang beim Genossen Leo Trotzki bedient hat. Behauptet jedenfalls Danger Dan. „Das sind ganz alte kommunistische Unterwanderungsstrategien, die man überall nachlesen kann und die wir eins zu eins nachbauen.“

Trotzki muss ein band-internes Reizwort sein, denn sofort widerspricht Koljah, der neben Danger Dan sitzt. Die Texte der Antilopen Gang sind Gemeinschaftswerke, mit denen am Ende alle einverstanden sein müssen, „aber dieser Konsens entsteht oft nur durch Zermürbung, nicht durch Einsicht“, so Danger Dan. Koljah wird konkreter: „Es ist schon so, dass wir uns viel gegenseitig reinreden.“ Damit Debatten nicht ausufern, verständigen sich die beiden zumeist auf pragmatische Tauschgeschäfte: Diese Zeile nehme ich bei mir raus – aber nur, wenn du jene Formulierung bei dir änderst.

In den neuen Songs spielen die Antilopen auch mit Slogans altlinker Ikonen wie Ulrike Meinhof („Und natürlich kann geschossen werden“) und Rudi Dutschke („Holger, tut mir leid, aber der Kampf geht nicht mehr weiter“). Doch da ist keine RAF-Verklärung, das gereimte Fazit über die letzten Reste der Stadtguerilla, die sich jetzt als Bankräuber durchschlagen, könnte bitterer nicht sein: „Sie sind gar keine Rentner, denn sie kriegen keine Rente/ Wenn man ehrlich ist/ war’n sie schon in den 70ern am Ende“.

Die Wut bewahren

Aus ihrer Kindheit in den 80ern ist der Antilopen Gang vor allem ein Zotteltier aus dem amerikanischen Fernsehen im Gedächtnis geblieben. Die Liebeserklärung an „Alf“ zählt zu den schönsten Nummern auf „Anarchie und Alltag“. Koljah erklärt: „Wir können uns in diesem Szenario wiederfinden: In eine Welt hineingeworfen zu werden, die sich fremd anfühlt, und die einem vielleicht nicht wohlgesinnt ist.“ Aus der Antilopen-Perspektive wird die Sitcom sogar politisch, denn Alf ist eben auch ein illegaler Flüchtling. „Sein Heimatplanet Melmac ist explodiert, er musste woandershin und muss dort ständig seine Entdeckung fürchten.“

Der neue Albumtitel „Anarchie und Alltag“ ist eine deutliche Anspielung auf Fehlfarben, vor allem Koljah ist ein großer Fan des Fehlfarben-Sängers Peter Hein. Der hat sich auch im fortgeschrittenen Alter eine Melange aus Wut und schlechter Laune bewahrt, die die Antilopen Gang erklärtermaßen bewundert: „Wir sind auf jeden Fall wütend“, beteuert Danger Dan, „hoffentlich auch noch mit 60.“ Da ist er sich ausnahmsweise mit Koljah einig: „Sich diese Wut zu bewahren, ist gut und wichtig, weil man sonst schnell in Zynismus abdriftet.“

Zur anderen Düsseldorfer Rocklegende hat die Antilopen Gang auch eine enge Beziehung, wenigstens geschäftlich. Ihre Alben erscheinen auf dem JKP-Label, das den Toten Hosen gehört. Dank dieser Plattenfirmen-Connection besuchte Danger Dan kürzlich sogar ein Konzert der Hosen, und schwärmt im Interview von diesem „schönen, interessanten Erlebnis. Auf einmal Arm in Arm mit mehreren hundert schwitzenden, grölenden Männern. Wäre der Abend länger gewesen, hätte ich mir vielleicht ein Hosen-Tattoo stechen lassen. So verwerflich das auch ist“. Danger Dan bekennt, dass er bei eigenen Konzerten bisweilen etwas neidisch ins Publikum hinabschaut und denkt: Wow, muss ein tolles Gemeinschaftsgefühl sein.

Doch im Grunde fremdelt die Antilopen Gang mit diesem fragwürdigen Gemeinschaftsbegriff, will nicht – wie die jungen Tocotronic – „Teil einer Jugendbewegung“ sein. Das Trio feiert vielmehr die Privatsphäre und ein elitäres Außenseitertum: „Wir wollen bei bestimmten Dingen nicht mitmachen und deswegen grenzen wir uns ab – und werden ausgegrenzt.“

Und nein, kommerzieller Erfolg mache diese Outlaw-Attitüde nicht unglaubwürdig, so Danger Dans Schlusswort: „Diese Position können wir auch einnehmen, wenn uns eine Million Leute zuhören. Dann erst recht!“

Album und Konzert

„Anarchie und Alltag“ erscheint an diesem Freitag bei JKP. Die Plattenfirma gehört den Toten Hosen. Der Albumtitel spielt auf eine andere Düsseldorfer Musiklegende an, die Fehlfarben und deren Debüt „Monarchie und Alltag“ (1980). Zwei Mitglieder der Gang (Danger Dan und Panik Panzer) kommen ursprünglich aus Aachen, Koljah ist Düsseldorfer.