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Deutschland einig Krimiland Deutschland einig Krimiland: Ohne Krimi geht es nie ins Bett

Von andreas montag 23.03.2015, 19:35
Dezernatsleiterin Vicky Adam (Katja Danowski) reaktiviert zwei Beamte, die schon vor Jahren in Rente geschickt wurden: Edwin Bremer (Tilo Prückner, l.) und Günter Hoffmann (Wolfgang Winkler).
Dezernatsleiterin Vicky Adam (Katja Danowski) reaktiviert zwei Beamte, die schon vor Jahren in Rente geschickt wurden: Edwin Bremer (Tilo Prückner, l.) und Günter Hoffmann (Wolfgang Winkler). ARD/Kai Schulz Lizenz

Halle (Saale) - Was hat er nur, der Krimi, dass ihn die Deutschen so innig lieben? Dabei ist, so hört man die Seufzer der TV-Produzenten, auf nichts mehr Verlass, sieht man von Fußballspielen nationaler Tragweite ab. Und eben von den Kriminalfilmen, von denen es täglich, zählt man die Serien mit, Dutzende allein im frei empfangbaren Fernsehen gibt. Und auch die Krimi-Schmöker gehen nach wie vor weg wie das sprichwörtliche geschnitten Brot.

Kriminalromane etwa von Jussi Adler-Olsen werden in Auflagen von bis zu 500.000 Stück über die Buchhandlungstheken gereicht, der Anteil der Spannungsliteratur am Gesamtumsatz des Buchmarktes lag einer Statistik zufolge in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres bei 25 Prozent. Respekt. Wobei man vor allem darüber staunen kann, dass die Flut an Filmen die Lust am Lesen nicht gestoppt zu haben scheint.

„Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, hat der Schlagersänger Bill Ramsey vor mehr als einem halben Jahrhundert verkündet. In dem Lied des Deutsch-Amerikaners, das seinerzeit ein Riesenhit war, beklagt sich der Sänger in komischer Verzweiflung darüber, dass besagte Mimi das Licht nicht löscht, bevor sie nicht endlich aller Leichen und der Auflösung des Falles teilhaftig geworden ist.

Vor dem Fernseher ist die Nacht ebenfalls ohne Anstrengung zum Tage zu machen - abgesehen von den modernen Möglichkeiten, verpasste Sendungen nachzuholen. Zeit für einen „Kriminaltango“ ist immer, den der Schweizer Jazzmusiker Hazy Osterwald und seine Band einst mit Augenzwinkern unter die Leute brachten. Dank auch regionaler Krimis wie „Zorn“ aus Halle und der Wiederholungen diverser „Tatort“- und „Polizeiruf“-Krimis ist das Angebot im Fernsehen wahrhaft reichlich. Und immer kommen noch neue Formate dazu.

Eben kündigt das Erste für das Vorabendprogramm der ARD die „Rentnercops“ an - was die Fans des langgedienten und vor zwei Jahren vom MDR zwangspensionierten halleschen „Polizeiruf“-Ermittlers Wolfgang Winkler sicher freuen wird. Er spielt, ganz folgerichtig, einen alten Kriminalbeamten, der gemeinsam mit seinem Kollegen (gespielt von Tilo Prückner) aus dem Ruhestand zurück an die Arbeit geholt wird. Am 31. März soll die Vorabendserie starten, einstweilen sind acht Folgen im Kasten. Ob es weitere geben wird, hängt vom Erfolg ab.

Dem inzwischen 72-jährigen Winkler hat die Arbeit mit Kollegen Prückner und den jungen Leuten im Team jedenfalls riesigen Spaß gemacht, wie er sagt. Er lobt die Bücher und hofft natürlich auf Erfolg: „Gelungen ist es schon, es muss nur noch angenommen werden“, hält er den Ball aber bewusst flach. Der Sendeplatz um 18.50 Uhr gilt nicht gerade als Quotengarant, aber der Name Winkler und die charmante Idee, ältere Herren ermitteln zu lassen, dürften doch Zuschauer anlocken.

Sogar die DDR-Folgen des „Polizeirufs“ mit Peter Borgelt, Jürgen Frohriep und dem jungen Andreas Schmidt-Schaller, der heute für das ZDF in der „Soko Leipzig“ ermittelt, finden noch einen Sendeplatz und Zuschauer. Die Filme fallen inzwischen vermutlich bereits unter die Rubrik Kult.

Das ist ohnehin das Zauberwort, auch wenn es nichts erklärt, sondern die Sache nur noch spannender macht: Krimi ist Kult. Es gibt Menschen, die einem in aller Freundschaft sagen, am Sonntag zwischen 20.15 Uhr und 21.45 Uhr gingen sie zu Hause nicht ans Telefon, andere verbünden sich in Kneipen zum „Tatort“-Gucken. Die Fernsehmacher sind sich deshalb ziemlich sicher, dass der Trend anhalten wird. Der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor hat jüngst in einem Interview für die Mitteldeutschen Zeitung faktisch ausgeschlossen, es könnte der Tag heraufziehen, an dem die „Krimi-Blase“ platzt.

Warum es nicht dazu kommt? Spannende Unterhaltung, wie sie Krimis bieten, ob gedruckt, in bewegten Bildern oder auch im Hörfunk, lenkt ab von Problemen des Alltags. Das dürfte der Hauptgrund sein: Man sitzt bequem im Sessel, gönnt sich ein Bierchen und blickt in die Abgründe menschlicher Leidenschaft. Am Ende wird es idealerweise gut ausgehen, soweit das eben möglich ist nach all dem vergossenen Kunstblut. Der Täter wird gefangen, nach 90 Minuten herrscht wieder Gerechtigkeit.

Das ist im wirklichen Leben nicht immer so, die Dinge zwischen Eurokurs, Griechenlandkrise und Politikerworten sind zudem oft sehr unübersichtlich. Da ist ein Mord zur besten Sendezeit allemal eine Alternative. Zumal er ja nicht wirklich passiert. Und dann geht man endlich in Frieden zu Bett.

Wolfgang Winkler in der MDR-Talkshow „Riverboat“: Freitag, 22 Uhr

Hazy Osterwalds Truppe tanzte den „Kriminaltango“.
Hazy Osterwalds Truppe tanzte den „Kriminaltango“.
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