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Design Design: John Galliano hat Dior auf Trab gebracht

Von Stefanie Schütte 16.08.2005, 08:15
Ein Aufschrei ging durch die französische Presse, als John Galliano (Archivfoto vom 01.03.2005) 1996 zum Kreativchef des Modehauses Dior berufen wurde. (Foto: dpa)
Ein Aufschrei ging durch die französische Presse, als John Galliano (Archivfoto vom 01.03.2005) 1996 zum Kreativchef des Modehauses Dior berufen wurde. (Foto: dpa) SIPA

Hamburg/Paris/dpa. - Ein Jahr zuvor hatte er Gallianodie kreative Leitung von Givenchy übertragen, nun «beförderte» er denbegabten Designer noch. Arnault, der als Chef des Luxuskonzerns LVMH(Louis Vuitton Moët Hennessy) über diverse Mode-Labels gebietet,steht heute als der Kluge da. John Galliano zählt zu den einflussreichsten Couturiers der Welt. Dank seiner Schneiderkunst istDior zu einem Zugpferd von LVMH avanciert.

Statt wie zuvor distanzierter Respekt vor dem Namen tobt nun einungehemmter Kult um die vier Buchstaben. Die klimpern anhochbegehrten Taschen herum, schmücken verführerische Schuhe undadeln sexy Roben, die die schönsten Schauspielerinnen der Welttragen. Aktuelle Dior-Entwürfe von Galliano erscheinen allerdingsnicht so provokant wie das ägyptische Kettengewand, das MillaJovovichs makellosen Körper 1997 bei einer Filmpremiere in Cannesmehr ent- als bekleidete. Es entstammte Gallianos eigener Kollektionfür Herbst/Winter 1997. Wie viele andere bewies diese die Fähigkeitdes Modemachers, historische Quellen neu zu interpretieren undtraditionelle Schnitt-Techniken seinem kühnen Stil anzuverwandeln.

Das feminine Schönheitsideal Diors vermischt sich bei Galliano mitSchrägem. Die Inspirationen reichen von Indianern und afrikanischenStämmen über Kokotten und Stummfilmstars bis hin zu Mumien. Auch dieDefilees - ob die von Dior oder von Gallianos eigener Marke -offenbaren die überbordende Fantasie des Modemachers. Der 44-Jährigedenkt sich für seine Schauen ganze Geschichten aus wie etwa die Reiseeiner englischen Pensionats-Schülerin von Ägypten nach Hollywood.

«Spektakel», das ist das Wort, das ihm seine Kritiker immer wiederentgegenschleudern. Gallianos Erscheinung speist diese Beschimpfung,denn der in Gibraltar geborene und in London aufgewachsene Designersetzt sich selbst gerne mit auffallenden Kostümierungen in Szene.Anfang der 90er Jahre trat er als Pirat auf mit Ohrring und langenLocken, dann erschien er plötzlich als Dandy, als schriller Schotteund durchgestylter Indianer. Letzteres mit nacktem Oberkörper, sodass alle seinen sportlich gestählten Körper bewundern konnten. Undals er im vergangenen Januar nach der Schau seiner Galliano-Herrenkollektion als Napoleon auf den Laufsteg trat, galt er vollendsals übergeschnappt.

Doch im Grunde befriedigt Galliano nur seinen Spaß am Verkleiden,den er in der Londoner Clubszene der 80er Jahre mit vielen seinerMitstudenten an der renommierten Mode- und Kunstschule St. Martin'steilte. Neben dem Studium arbeitete er als Ankleidehilfe am Theater,wodurch seine Begeisterung für die Bühne noch wuchs. Schon seinegeniale Abschlusskollektion 1984, bei der er sich von einerModebewegung der französischen Revolutionszeit inspirieren ließ,machte John Galliano über Englands Grenzen hinaus bekannt.

Dass heute ohne diesen unverbesserlichen Romantiker dieModelandschaft sehr viel karger wäre, bewies kürzlich seine Haute-Couture-Kollektion für Herbst/Winter 2005/6. Da zeigte ermärchenhafte Entwürfe in morbider Kulisse mit dunklen Wolken, wildenHecken und schwarzen Kutschen. Aus so einer stieg er am Ende selbst,wie immer mit selbstbewusster Geste. Dior-Chef Sidney Toledanobehauptet allerdings über seinen kreativen Kopf: «Galliano isteigentlich schüchtern.»

John-Galliano-Kreation bei der Modenschau am 06.07.2005 in Paris. (Foto: dpa)
John-Galliano-Kreation bei der Modenschau am 06.07.2005 in Paris. (Foto: dpa)
SIPA