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Design im Nationalsozialismus Design im Nationalsozialismus: Inszenierte Heilrufe und Freudenfeuer

Von Joachim Göres 17.09.2001, 15:44

Hannover/MZ. - Das Logo: ein Hakenkreuz. Der Werbeträger: Adolf Hitler. Die Zielgruppe: die Volksgemeinschaft. "Wir wollen mit dieser Ausstellung die politischen Hintergründe des Designs beleuchten, und dabei benutzen wir die Sprache von heute", sagt Christina Moritz von der Kölner Designer-Gruppe "ad acta". Mit der Schau "Schön, ordentlich, deutsch. Design im Nationalsozialismus", die gerade im Kestner-Museum Hannover eröffnet wurde, soll die "umfassendste und perfekteste Corporate Identity, die je eine Regierung realisiert hat", anschaulich und kritisch dargestellt werden.

Ein hoher Anspruch angesichts der relativ kleinen Ausstellungsfläche. Dabei wird dem Kapitel "Inszenierung der Macht" ein besonderer Platz gewidmet. Fahnen, Standarten mit Hakenkreuz, Uniformen, in geometrischer Perfektion angeordnete Massen, Licht- oder Feuerinszenierungen, tausendfache Hitlergrüße und Heilrufe - Moritz spricht von "eventdesign".

Auf Schautafeln und am Bildschirm kann der Betrachter eine Ahnung davon bekommen, dass nichts dem Zufall überlassen wurde, damit das von Adolf Hitler formulierte Ziel nicht verfehlt wurde: "Wenn ich in der Masse die entsprechenden Empfindungen wecke, dann folgen sie den einfachen Parolen, die ich ihnen gebe. In den Massenversammlungen ist das Denken ausgeschaltet. Und weil ich diesen Zustand brauche, weil er mir den größten Wirkungsgrad meiner Rede sichert, lasse ich alle in die Versammlungen schicken, wo sie mit mir zur Masse werden, ob sie wollen oder nicht."

Die gezeigten Alltagsgegenstände wie Möbel, Geschirr, Rasierer oder Radiogeräte beweisen, dass es keinen einheitlichen NS-Stil gab. Neben altmodisch-völkischem Design zeichnen sich gerade technische Geräte durch eine gewollt modern wirkende Gestaltung aus. Der millionenfach verkaufte Volksempfänger in seinem dunkelbraunen Kunststoff-Gehäuse -im Volksmund einst "Goebbels-Schnauze genannt - dürfte der bekannteste Gegenstand jener Periode sein. "Holz wurde als Material vielfach abgelehnt, um nicht als rückständig zu gelten", begründet Moritz die Verwendung von Chrom, Stahl oder Kunststoff durch die Nationalsozialisten.

Das Beispiel Volksempfänger zeigt allerdings die Schwächen der Ausstellung. Er musste für die Großserienherstellung tauglich sein, durfte nicht viel kosten und sollte auch den größeren Empfangsgeräten weder optisch noch technisch Konkurrenz machen - an deren Verkauf verdienten Hersteller und Handel nämlich wesentlich mehr. Nur durch Gebührenbefreiung und Ratenkauf konnte der Volksempfänger zum Massenobjekt werden - 1939 gab es etwa elf Millionen Radioanschlüsse. Damit war die Grundlage für eine pausenlose propagandistische Einflussnahme geschaffen. Über diese Hintergründe erfährt der Ausstellungsbesucher leider nichts.

Dennoch: Wer sich über die bisher kaum bekannte deutsche Design-Geschichte informieren will und erfahren möchte, warum rot die von den Nationalsozialisten favorisierte Farbe bei der Gestaltung von Plakaten und ihrer Symbole war, oder warum die bis 1941 in den Schulen gelehrte "Deutsche Schrift" Sütterlin plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwand, der findet hier Antworten.

Bis 11. November; Di-So 11 bis 18, mittwochs bis 20 Uhr. Katalog als CD-Rom, 20 Mark.