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Der uneheliche Sohn des Fürsten Franz  Der uneheliche Sohn des Fürsten Franz : "Ich bin eine Frucht verbotener Lust"

Von Christian Eger 27.09.2017, 12:28
Graf Franz von Waldersee um 1795, Kopie nach J. F. A. Tischbein
Graf Franz von Waldersee um 1795, Kopie nach J. F. A. Tischbein Waldersee

Dessau - Er hinterließ nicht nur Gärten und Schlösser, sondern auch Kinder, die er vor und neben seiner Ehe zeugte. In seiner Freiheit war der Gartenreich-Schöpfer Fürst Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) ganz ein Regent seiner Zeit. Bis ins Alter ein erotischer Freibeuter, getrieben von einer  „bösen Lust“. Aktenkundig sind zehn illegitime Kinder; es können mehr gewesen sein. Nicht nur in seinen Werken, sondern auch in seinen nichtaristokratischen Nachkommen lebt der Fürst weiter. In vielfacher Hinsicht ein „Vater Franz“. Anhalt kann sagen: Er ist unter uns.

Öffentlich bekannt hat sich Franz vor allem zu diesem einen - im Sprachgebrauch der Zeit - „natürlichen“ Sohn, der denn auch den Vornamen des Vaters trug: Franz von Waldersee (1763-1823), Sohn der Pastorentochter Johanne Eleonore Hoffmeier. Mit der Dessauer Schönheit wollte der junge Fürst nach England durchbrennen, bevor ihn Friedrich II. in eine Ehe mit der Cousine Louise zwang. Der Name von Waldersee war eine Erfindung des Fürsten und ein dynastisch-romantisches Zitat: Waldersee, eine im 14. Jahrhundert abgetragene Burg bei Dessau. Unter diesem Namen sollte der erstgeborene illegitime Sohn des Fürsten, auf den nach sechs Jahren mit dem Erbprinzen Friedrich der erste und einzige legitime Sohn folgen sollte, sein Leben führen.

Aus dem Archiv der Familie gehoben

Ein Leben, von dem man einiges, aber doch nicht viel, vor allem nicht viel Zusammenhängendes wusste. Die in München lebende Historikerin Anna-Franziska von Schweinitz bietet nun erstmals eine große Lebenserzählung des Fürstensohnes. Der Zugang zum reichen Walderseeschen Familienarchiv macht es möglich. Erzählt wird in sachlicher Fülle und stilistisch im halbdokumentarischen Breitwandformat, denn zu den Fakten und einem das halbe Buch füllenden Anhang, der neben vielen Fußnoten ein Personenlexikon bietet, kommt an den Kapitelanfängen jeweils auch Fiktionales hinzu - als belletristischer Appetitanreger. Vom Tod des Vaters Franz aus entwirft die Autorin als Rahmenerzählung ein biografisches Nachdenken des Sohnes über sich und den ihm fernen, fremden Erzeuger, vor dem er sein Leben aufblättert.

Es ist die Lebensgeschichte eines hochherrschaftlichen Bastards, der - was die Ausnahme war! - von seinem Vater in die höfische Gesellschaft gezogen wurde, was aber im Selbsterleben des Sohnes die Außenseiter-Position verstärkte - den menschlichen als gesellschaftlichen Makel. Halbe Herkunft und halbes Leben, das ergab nach der Rechnung des Franz von Waldersee ein ganzes Unglück. So klingt der Lebenssound des Mannes, der auch ein solider Gesellschaftsautor war. Vieles hat Waldersee verschriftlicht. Unter anderem ein im Blick auf den Vater verfasstes „Memorandum“, in dem es heißt: „Ich bin und bleibe ihm ein abgefundener Sohn, eine Frucht verbotener Lust, ein regelloser Wegwurf Fürstlichen Sinnenkitzels, dem er keine Pflicht schuldig sey“.

Zehn Jahre Schweigen zwischen Vater und Sohn

Im Alter von vier Jahren wird Franz von seiner Mutter getrennt und vom Vater ins Schloss geholt, um dort als Junker erzogen werden. Eine lebenslängliche Pension von jährlich 2.000 Talern ist ihm sicher. An der Musterschule Philanthropin dient Waldersee „manchmal“ als „Paradepferd“. In die Welt entlassen, startet er eine Laufbahn als preußischer Finanzbeamter und kehrt, in den Grafenstand erhoben, 1790 nach Dessau zurück. Dem Vater erweist sicher der Sohn in vielen Ämtern als nützlich. Aber immer muss er - wie alle Höflinge - um seine Gunst buhlen und bangen. 1803 kommt es zum Bruch.

Waldersee hatte die Schulden des ersten Intendanten des Dessauer Hoftheaters, des Freiherrn von Lichtenstein, übernommen. Ein krimineller Bankrotteur, wie sich bald zeigte. Der ohnehin notorisch klamme Waldersee sitzt auf einem unfassbar hohen Schuldenberg von mehr als 42.000 Talern fest. Nicht nachvollziehbar für den Vater, der ihn aus allen Ämtern entfernt und zehn Jahre nicht persönlich trifft. Am Hof ist der Sohn für diese Zeit erledigt.

Einblicke in Hof und Residenzstadt um 1800

Die Sympathie der Autorin liegt ganz bei Waldersee. Die Perspektive seines Vaters fehlt, der keine Dokumente zur Sache hinterlassen hat. So zeigt sich hier der Fürst allein in seinen Handlungen. Zu diesen muss man sagen: Andere „natürliche“ Fürstenkinder gingen mittellos durchs Leben. Das Walderseesche Klagen ist also, bei allem persönlichen Unglück, eines auf hohem Niveau. Aber von großem kulturhistorischen Interesse. Wie um 1800 ein Hof und - als dessen Anhängsel - eine Residenzstadt funktionierten, das ist hier zu erleben. Und über Anhalt hinaus mit Gewinn zu lesen. Eine reizvolle Gabe zum 200. Todestag des Fürsten. Das Gartenreich - aus seinem dynastisch-sozialen Unterholz betrachtet. (mz)

Anna-Franziska von Schweinitz: Waldersee und Vater Franz. Vom Unglück der nichtehelichen Geburt. Stekovics Verlag, 400 Seiten, mit zahlr. Abb., 28 Euro

(mz)